auf einem Ruhebette, einige Schritte vor ihm steht seine goldene Dose auf dem Tische; ein Spitzbube kommt her- ein, und nimmt sie ihm vor seinen Augen weg, ohne daß er es hindern kann. (Hier wurde stark gepfiffen.) Seine Geliebte, die ihn aufsucht, ist im Nebenzimmer, ohne daß Beyde von einander wissen. Sie sieht von un- gefähr die Dose in fremden Händen, die sie einst selbst ihrem Liebhaber schenkte, und kauft sie. Jhr Vater, der die Dose nicht kennt, freut sich über den wohlfeilen Kauf, und nimmt sie ihr weg. (Gepfiffen.) Er hat Lange- weile im Wirthshause, und möchte gern Schach spielen. Der Wirth führt ihn zu dem Kranken, der auch dieß Spiel liebt, und auch Langeweile hat; Beyde kennen sich aber nicht. Sie spielen, der Alte setzt zufällig die Dose neben sich, der Jüngling erkennt sie auf den ersten Blick, und giebt seinem Gaste den Diebstahl Schuld. (Gepfif- fen.) Zum Beweise, daß die Dose ihm wirklich gehöre, öffnet er einen verborgenen Deckel, und zeigt ihm das Portrait seiner Tochter. (Geklatscht.) Wie sich das Stück nun endigen werde, erräth Jedermann leicht. Einmal wurde so entsetzlich gepfiffen, daß die spielenden Perso- nen sich endlich genöthigt sahen, die Bühne zu verlassen nachdem sie schon lange genug die Musik mit angehört hatten. Nun aber fieng ein Theil des Publikums an zu klatschen, der andere fuhr fort mit dem Pfeifen, es war, um das Gehör zu verlieren. Nach einer Weile kam Bap- tiste, der den Vater spielte, und fragte bescheiden, ob man erlauben wolle, fortzuspielen oder nicht? Ja! ja! schrie Alles. -- Man fuhr also fort, und alsobald tön- ten die Pfeifen wieder so schmetternd, daß die letzte Szene gänzlich verloren gieng. Dazwischen schrie man hier: C'est mauvais! dort: Paix! Silence! und dann
auf einem Ruhebette, einige Schritte vor ihm steht seine goldene Dose auf dem Tische; ein Spitzbube kommt her- ein, und nimmt sie ihm vor seinen Augen weg, ohne daß er es hindern kann. (Hier wurde stark gepfiffen.) Seine Geliebte, die ihn aufsucht, ist im Nebenzimmer, ohne daß Beyde von einander wissen. Sie sieht von un- gefaͤhr die Dose in fremden Haͤnden, die sie einst selbst ihrem Liebhaber schenkte, und kauft sie. Jhr Vater, der die Dose nicht kennt, freut sich uͤber den wohlfeilen Kauf, und nimmt sie ihr weg. (Gepfiffen.) Er hat Lange- weile im Wirthshause, und moͤchte gern Schach spielen. Der Wirth fuͤhrt ihn zu dem Kranken, der auch dieß Spiel liebt, und auch Langeweile hat; Beyde kennen sich aber nicht. Sie spielen, der Alte setzt zufaͤllig die Dose neben sich, der Juͤngling erkennt sie auf den ersten Blick, und giebt seinem Gaste den Diebstahl Schuld. (Gepfif- fen.) Zum Beweise, daß die Dose ihm wirklich gehoͤre, oͤffnet er einen verborgenen Deckel, und zeigt ihm das Portrait seiner Tochter. (Geklatscht.) Wie sich das Stuͤck nun endigen werde, erraͤth Jedermann leicht. Einmal wurde so entsetzlich gepfiffen, daß die spielenden Perso- nen sich endlich genoͤthigt sahen, die Buͤhne zu verlassen nachdem sie schon lange genug die Musik mit angehoͤrt hatten. Nun aber fieng ein Theil des Publikums an zu klatschen, der andere fuhr fort mit dem Pfeifen, es war, um das Gehoͤr zu verlieren. Nach einer Weile kam Bap- tiste, der den Vater spielte, und fragte bescheiden, ob man erlauben wolle, fortzuspielen oder nicht? Ja! ja! schrie Alles. — Man fuhr also fort, und alsobald toͤn- ten die Pfeifen wieder so schmetternd, daß die letzte Szene gaͤnzlich verloren gieng. Dazwischen schrie man hier: C'est mauvais! dort: Paix! Silence! und dann
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auf einem Ruhebette, einige Schritte vor ihm steht seine
goldene Dose auf dem Tische; ein Spitzbube kommt her-
ein, und nimmt sie ihm vor seinen Augen weg, ohne
daß er es hindern kann. (Hier wurde stark gepfiffen.)
Seine Geliebte, die ihn aufsucht, ist im Nebenzimmer,
ohne daß Beyde von einander wissen. Sie sieht von un-
gefaͤhr die Dose in fremden Haͤnden, die sie einst selbst
ihrem Liebhaber schenkte, und kauft sie. Jhr Vater, der
die Dose nicht kennt, freut sich uͤber den wohlfeilen Kauf,
und nimmt sie ihr weg. (Gepfiffen.) Er hat Lange-
weile im Wirthshause, und moͤchte gern Schach spielen.
Der Wirth fuͤhrt ihn zu dem Kranken, der auch dieß
Spiel liebt, und auch Langeweile hat; Beyde kennen sich
aber nicht. Sie spielen, der Alte setzt zufaͤllig die Dose
neben sich, der Juͤngling erkennt sie auf den ersten Blick,
und giebt seinem Gaste den Diebstahl Schuld. (Gepfif-
fen.) Zum Beweise, daß die Dose ihm wirklich gehoͤre,
oͤffnet er einen verborgenen Deckel, und zeigt ihm das
Portrait seiner Tochter. (Geklatscht.) Wie sich das Stuͤck
nun endigen werde, erraͤth Jedermann leicht. Einmal
wurde so entsetzlich gepfiffen, daß die spielenden Perso-
nen sich endlich genoͤthigt sahen, die Buͤhne zu verlassen
nachdem sie schon lange genug die Musik mit angehoͤrt
hatten. Nun aber fieng ein Theil des Publikums an zu
klatschen, der andere fuhr fort mit dem Pfeifen, es war,
um das Gehoͤr zu verlieren. Nach einer Weile kam Bap-
tiste, der den Vater spielte, und fragte bescheiden, ob
man erlauben wolle, fortzuspielen oder nicht? Ja! ja!
schrie Alles. — Man fuhr also fort, und alsobald toͤn-
ten die Pfeifen wieder so schmetternd, daß die letzte
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/125>, abgerufen am 08.07.2024.
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