Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.Lafond kam gar nicht, trotz alles Schreyens. Die Mu- Uebrigens finde ich meine alte Bemerkung täglich be- Lafond kam gar nicht, trotz alles Schreyens. Die Mu- Uebrigens finde ich meine alte Bemerkung taͤglich be- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0123" n="123"/> Lafond kam gar nicht, trotz alles Schreyens. Die Mu-<lb/> sik hob an, man schrie fort. Der Vorhang rollte auf,<lb/> das zweyte Stuͤck sollte beginnen; man ließ die Schau-<lb/> spieler nicht zum Worte kommen. Endlich trat Einer der<lb/> Mitspielenden vor, und sagte: Meine Herren! unser Ka-<lb/> merad befindet sich nicht wohl. Nun waren sie zufrie-<lb/> den. — Les projets du mariage, von Duval, ist ein<lb/> artiges Stuͤck, und wurde sehr lebhaft gespielt. — An-<lb/> dromaque. Heute sah ich zum erstenmale die beruͤhmte<lb/> Mademoiselle <hi rendition="#g">Duͤchesnois</hi> als <hi rendition="#g">Hermione.</hi> Man<lb/> hat mich oft in Paris gefragt, ob <hi rendition="#g">sie</hi> oder ihre schoͤne<lb/> Nebenbuhlerinn, Mademoiselle <hi rendition="#g">Gorge,</hi> mir besser ge-<lb/> fiele? Jch bin, wenn ich konnte, der Antwort gern aus-<lb/> gewichen; konnt' ich aber nicht, so gestand ich freymuͤ-<lb/> thig, daß mir Keine von Beyden behage. Mademoisselle<lb/><hi rendition="#g">Duͤchesnois</hi> ist erstens sehr viel haͤßlicher, als einer<lb/> Schauspielerinn erlaubt ist zu seyn. Zweytens, hat sie,<lb/> außer allen Fehlern der franzoͤsischen Manier, auch noch<lb/> einige, die <hi rendition="#g">ihr</hi> eigen sind, naͤmlich eine Art von Ge-<lb/> sang in der Deklamation; und dann legt sie mit ihrer<lb/> ganzen Schwere sich auf <hi rendition="#g">mehrere</hi> Sylben in jeder Zei-<lb/> le, und reckt diese gewaltig. Dabey ist Alles so offenbar<lb/><hi rendition="#g">studiert;</hi> sie scheint immer vor dem Spiegel zu stehen;<lb/> kein Ton kommt aus dem Herzen, oder ist von der Na-<lb/> tur eingehaucht, lauter Kunst und abermal Kunst. Hin-<lb/> gegen war <hi rendition="#g">Talma</hi> als <hi rendition="#g">Orest</hi> ganz vortrefflich; und<lb/> haͤtte ich nie Etwas von ihm gehoͤrt, als den letzten<lb/> Monolog in <hi rendition="#g">Andromache,</hi> so wuͤßte ich genug, um<lb/> zu behaupten, daß er unter die groͤßten Schauspieler ge-<lb/> hoͤrt, die gelebt <hi rendition="#g">haben</hi> und leben <hi rendition="#g">werden.</hi></p><lb/> <p>Uebrigens finde ich meine alte Bemerkung taͤglich be-<lb/> staͤttigt, daß naͤmlich die Franzosen fuͤr den Ausdruck des<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [123/0123]
Lafond kam gar nicht, trotz alles Schreyens. Die Mu-
sik hob an, man schrie fort. Der Vorhang rollte auf,
das zweyte Stuͤck sollte beginnen; man ließ die Schau-
spieler nicht zum Worte kommen. Endlich trat Einer der
Mitspielenden vor, und sagte: Meine Herren! unser Ka-
merad befindet sich nicht wohl. Nun waren sie zufrie-
den. — Les projets du mariage, von Duval, ist ein
artiges Stuͤck, und wurde sehr lebhaft gespielt. — An-
dromaque. Heute sah ich zum erstenmale die beruͤhmte
Mademoiselle Duͤchesnois als Hermione. Man
hat mich oft in Paris gefragt, ob sie oder ihre schoͤne
Nebenbuhlerinn, Mademoiselle Gorge, mir besser ge-
fiele? Jch bin, wenn ich konnte, der Antwort gern aus-
gewichen; konnt' ich aber nicht, so gestand ich freymuͤ-
thig, daß mir Keine von Beyden behage. Mademoisselle
Duͤchesnois ist erstens sehr viel haͤßlicher, als einer
Schauspielerinn erlaubt ist zu seyn. Zweytens, hat sie,
außer allen Fehlern der franzoͤsischen Manier, auch noch
einige, die ihr eigen sind, naͤmlich eine Art von Ge-
sang in der Deklamation; und dann legt sie mit ihrer
ganzen Schwere sich auf mehrere Sylben in jeder Zei-
le, und reckt diese gewaltig. Dabey ist Alles so offenbar
studiert; sie scheint immer vor dem Spiegel zu stehen;
kein Ton kommt aus dem Herzen, oder ist von der Na-
tur eingehaucht, lauter Kunst und abermal Kunst. Hin-
gegen war Talma als Orest ganz vortrefflich; und
haͤtte ich nie Etwas von ihm gehoͤrt, als den letzten
Monolog in Andromache, so wuͤßte ich genug, um
zu behaupten, daß er unter die groͤßten Schauspieler ge-
hoͤrt, die gelebt haben und leben werden.
Uebrigens finde ich meine alte Bemerkung taͤglich be-
staͤttigt, daß naͤmlich die Franzosen fuͤr den Ausdruck des
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDie "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |