Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.Lucian Bonaparte's Gemälde-Gallerie. Sie steht Jedermann offen. Der Besitzer ist so gefäl- Seine Gallerie ist auserlesen, und hier hab' ich Lucian Bonaparte's Gemaͤlde-Gallerie. Sie steht Jedermann offen. Der Besitzer ist so gefaͤl- Seine Gallerie ist auserlesen, und hier hab' ich <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0109" n="109"/> <div n="1"> <head>Lucian Bonaparte's Gemaͤlde-Gallerie.</head><lb/> <p>Sie steht Jedermann offen. Der Besitzer ist so gefaͤl-<lb/> lig, wenn Fremde kommen, sich in andere Zimmer zuruͤck-<lb/> zuziehen. Jch habe sie zweymal gesehen; das letztemal<lb/> in Gegenwart des aͤußerst liebenswuͤrdigen Besitzers, der<lb/> nicht allein durch seine anspruchlos geaͤußerte Kenntnisse<lb/> mir merkwuͤrdig, sondern besonders auch durch sein <hi rendition="#g">haͤus-<lb/> liches</hi> Benehmen interessant wurde. Sein Kind auf<lb/> den Armen tragend, mit ihm spielend, mit mir sprechend,<lb/> einfach in Kleidung und Manieren, hat er mir eine lieb-<lb/> gewordene Erinnerung zuruͤckgelassen.</p><lb/> <p>Seine Gallerie ist <hi rendition="#g">auserlesen,</hi> und hier hab' ich<lb/> ein Bild gefunden, welches unter den vielen tausend Bil-<lb/> dern, die ich in meinem Leben sah, den tiefsten, bleibend-<lb/> sten, unausloͤschlichsten Eindruck auf mich gemacht hat.<lb/> Es ist <hi rendition="#g">Markus Sextus,</hi> von einem jungen, leider!<lb/> kraͤnklichen Maler, Guérin. <hi rendition="#g">Markus Sextus</hi> kommt<lb/> nach Hause, und <hi rendition="#g">findet seine Frau todt.</hi> Da<lb/> steht er vor der Leiche, hat die blasse, erkaltete Hand<lb/> zwischen den Fingern seiner beyden Haͤnde, und <hi rendition="#g">starrt</hi><lb/> vor sich hin. Seine Tochter schmiegt sich weinend um<lb/> seine Fuͤße. Das ist die ganze Gruppe, deren Totalef-<lb/> fekt durch Nichts gestoͤrt wird. Tiefer hat nie ein Ma-<lb/> ler oder Dichter empfunden, als dieser <hi rendition="#g">Guérin;</hi> spre-<lb/> chender ist nie die stumme Verzweiflung ausgedruͤckt wor-<lb/> den. Die Seele des Markus Sextus ist aufgeloͤst, und<lb/> nur die letzte Empfindung <hi rendition="#g">vor</hi> ihrer Aufloͤsung blieb im<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [109/0109]
Lucian Bonaparte's Gemaͤlde-Gallerie.
Sie steht Jedermann offen. Der Besitzer ist so gefaͤl-
lig, wenn Fremde kommen, sich in andere Zimmer zuruͤck-
zuziehen. Jch habe sie zweymal gesehen; das letztemal
in Gegenwart des aͤußerst liebenswuͤrdigen Besitzers, der
nicht allein durch seine anspruchlos geaͤußerte Kenntnisse
mir merkwuͤrdig, sondern besonders auch durch sein haͤus-
liches Benehmen interessant wurde. Sein Kind auf
den Armen tragend, mit ihm spielend, mit mir sprechend,
einfach in Kleidung und Manieren, hat er mir eine lieb-
gewordene Erinnerung zuruͤckgelassen.
Seine Gallerie ist auserlesen, und hier hab' ich
ein Bild gefunden, welches unter den vielen tausend Bil-
dern, die ich in meinem Leben sah, den tiefsten, bleibend-
sten, unausloͤschlichsten Eindruck auf mich gemacht hat.
Es ist Markus Sextus, von einem jungen, leider!
kraͤnklichen Maler, Guérin. Markus Sextus kommt
nach Hause, und findet seine Frau todt. Da
steht er vor der Leiche, hat die blasse, erkaltete Hand
zwischen den Fingern seiner beyden Haͤnde, und starrt
vor sich hin. Seine Tochter schmiegt sich weinend um
seine Fuͤße. Das ist die ganze Gruppe, deren Totalef-
fekt durch Nichts gestoͤrt wird. Tiefer hat nie ein Ma-
ler oder Dichter empfunden, als dieser Guérin; spre-
chender ist nie die stumme Verzweiflung ausgedruͤckt wor-
den. Die Seele des Markus Sextus ist aufgeloͤst, und
nur die letzte Empfindung vor ihrer Aufloͤsung blieb im
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