"Jn Spanien sah ich von meinen Verwandten Nie- manden als die Herzoginn von Orleans, die sich zu mei- nen Füßen warf, ohne daß ich es verhindern konnte. Jch that keinen Schritt, um am Madriter Hofe vorgestellt zu werden, da ich wohl wußte, daß er Frankreich unter- würfig sey. -- Jn Portugall hingegen wurde ich über alle meine Erwartung aufgenommen. Nie werde ich Lissa- bon, die Ufer des Tajo und den Palast von Quelus vergessen! Dort lernte ich zuerst die Liebe kennen. Die Königinn, die mir außerordentlich gewogen war, versprach mir die Hand ihrer reizenden Schwester, der Prinzessinn Benediktine, Wittwe des Prinzen von Brasilien; auch both die Königinn Alles auf, um die Potentaten von Europa für mein Schicksal zu interessiren. Jhr ver- danke ich es, daß neun Souverains (Portugall, Eng- land, der deutsche Kaiser, Preußen, Sardinien, Schwe- den, Dänemark, Rußland und der Pabst) durch ihre Gesandte eine Erklärung unterzeichnen ließen, durch welche ich förmlich anerkannt, und mir Beystand ver- sprochen wurde. Diese Erklärung muß in den Archiven des portugiesischen Hofes liegen."
"Jndessen hatte die Ebbe und Fluth der Revolution abermals andere Begebenheiten und Entwürfe herbeyge- führt. Rovere und Pichegrü beriefen mich nach Frank- reich, und hielten sich ihrer Sache gewiß. Jch verließ mit schmerzlichem Lebewohl den edeln, gastfreyen Hof von Portugall und meine geliebte Benediktine, ich lande- te in Hamburg, gieng von da nach Berlin, und hatte zu Potsdam eine geheime Audienz bey dem Kö- nige, der mich mit Achtung und Liebe aufnahm. Von da eilte ich in die Schweiz, und erwartete daselbst auf Pichegrü's Landsitz Bellevau Nachrichten aus Frankreich.
„Jn Spanien sah ich von meinen Verwandten Nie- manden als die Herzoginn von Orleans, die sich zu mei- nen Fuͤßen warf, ohne daß ich es verhindern konnte. Jch that keinen Schritt, um am Madriter Hofe vorgestellt zu werden, da ich wohl wußte, daß er Frankreich unter- wuͤrfig sey. — Jn Portugall hingegen wurde ich uͤber alle meine Erwartung aufgenommen. Nie werde ich Lissa- bon, die Ufer des Tajo und den Palast von Quelus vergessen! Dort lernte ich zuerst die Liebe kennen. Die Koͤniginn, die mir außerordentlich gewogen war, versprach mir die Hand ihrer reizenden Schwester, der Prinzessinn Benediktine, Wittwe des Prinzen von Brasilien; auch both die Koͤniginn Alles auf, um die Potentaten von Europa fuͤr mein Schicksal zu interessiren. Jhr ver- danke ich es, daß neun Souverains (Portugall, Eng- land, der deutsche Kaiser, Preußen, Sardinien, Schwe- den, Daͤnemark, Rußland und der Pabst) durch ihre Gesandte eine Erklaͤrung unterzeichnen ließen, durch welche ich foͤrmlich anerkannt, und mir Beystand ver- sprochen wurde. Diese Erklaͤrung muß in den Archiven des portugiesischen Hofes liegen.“
„Jndessen hatte die Ebbe und Fluth der Revolution abermals andere Begebenheiten und Entwuͤrfe herbeyge- fuͤhrt. Rovère und Pichegruͤ beriefen mich nach Frank- reich, und hielten sich ihrer Sache gewiß. Jch verließ mit schmerzlichem Lebewohl den edeln, gastfreyen Hof von Portugall und meine geliebte Benediktine, ich lande- te in Hamburg, gieng von da nach Berlin, und hatte zu Potsdam eine geheime Audienz bey dem Koͤ- nige, der mich mit Achtung und Liebe aufnahm. Von da eilte ich in die Schweiz, und erwartete daselbst auf Pichegruͤ's Landsitz Bellevau Nachrichten aus Frankreich.
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„Jn Spanien sah ich von meinen Verwandten Nie-
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that keinen Schritt, um am Madriter Hofe vorgestellt
zu werden, da ich wohl wußte, daß er Frankreich unter-
wuͤrfig sey. — Jn Portugall hingegen wurde ich uͤber alle
meine Erwartung aufgenommen. Nie werde ich Lissa-
bon, die Ufer des Tajo und den Palast von Quelus
vergessen! Dort lernte ich zuerst die Liebe kennen. Die
Koͤniginn, die mir außerordentlich gewogen war, versprach
mir die Hand ihrer reizenden Schwester, der Prinzessinn
Benediktine, Wittwe des Prinzen von Brasilien;
auch both die Koͤniginn Alles auf, um die Potentaten
von Europa fuͤr mein Schicksal zu interessiren. Jhr ver-
danke ich es, daß neun Souverains (Portugall, Eng-
land, der deutsche Kaiser, Preußen, Sardinien, Schwe-
den, Daͤnemark, Rußland und der Pabst) durch ihre
Gesandte eine Erklaͤrung unterzeichnen ließen, durch
welche ich foͤrmlich anerkannt, und mir Beystand ver-
sprochen wurde. Diese Erklaͤrung muß in den Archiven
des portugiesischen Hofes liegen.“
„Jndessen hatte die Ebbe und Fluth der Revolution
abermals andere Begebenheiten und Entwuͤrfe herbeyge-
fuͤhrt. Rovère und Pichegruͤ beriefen mich nach Frank-
reich, und hielten sich ihrer Sache gewiß. Jch verließ
mit schmerzlichem Lebewohl den edeln, gastfreyen Hof
von Portugall und meine geliebte Benediktine, ich lande-
te in Hamburg, gieng von da nach Berlin, und
hatte zu Potsdam eine geheime Audienz bey dem Koͤ-
nige, der mich mit Achtung und Liebe aufnahm. Von
da eilte ich in die Schweiz, und erwartete daselbst auf
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/107>, abgerufen am 08.07.2024.
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