Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

väterlich. Zuweilen spielte der König sogar mit mir wie ein
Kind, bei welcher Gelegenheit ich ihm einst eine Ohr-
feige gab."

"Mein Oheim, der Graf Artois, war so wüthend
über die Aufnahme, die mir widerfuhr, daß er einst
durch Einen seiner Köche meine Suppe vergiften ließ.
Man entdeckte das Vorhaben noch zu rechter Zeit, und
gab mir schnell Gegengift. Der König wollte meinen
Oheim arretiren lassen, ich bat für ihn, und wendete den
Blitz der Rache von ihm ab. Mein Leben war nun aber
in England nicht mehr in Sicherheit; daher der König,
obgleich er sich sehr ungern von mir trennte, beschloß,
mich mit dringenden Empfehlungen nach Rom und Por-
tugall zu senden."

"Von einem alten treuen Diener begleitet, und mit
Geschenken überhäuft, reisete ich ab. Unter den letztern
befand sich eine Schachtel von Mahagony, mit Gold be-
schlagen, in welcher eine Jnstruktion für Prinzen lag,
die zum Thron bestimmt sind. Der König von England
hatte sie ganz eigenhändig geschrieben, und der Verlust
dieses Kleinods war mir am schmerzlichsten, als ich nach-
her aller meiner Habseligkeiten beraubt wurde. Jch
schiffte mich zu Portsmuth ein, und landete nach einer
langen Fahrt, im Hafen von Ostia, von da ich nach
Rom gieng, und Pius dem VJJ. ein eigenhändiges Schrei-
ben des Königs von England überbrachte. Der Pabst
erstaunte, liebkosete und segnete mich, wollte mich sogar
insgeheim salben, und ließ mir, um mich stets wieder zu
erkennen, das französische Wappen auf das rechte Bein,
und die Worte, vive le Roi, auf den linken Arm bren-
nen. Es geschah in Beiseyn von 20 Kardinälen. Hier-
auf gieng ich bald durch Spanien nach Portugall."

vaͤterlich. Zuweilen spielte der Koͤnig sogar mit mir wie ein
Kind, bei welcher Gelegenheit ich ihm einst eine Ohr-
feige gab.“

„Mein Oheim, der Graf Artois, war so wuͤthend
uͤber die Aufnahme, die mir widerfuhr, daß er einst
durch Einen seiner Koͤche meine Suppe vergiften ließ.
Man entdeckte das Vorhaben noch zu rechter Zeit, und
gab mir schnell Gegengift. Der Koͤnig wollte meinen
Oheim arretiren lassen, ich bat fuͤr ihn, und wendete den
Blitz der Rache von ihm ab. Mein Leben war nun aber
in England nicht mehr in Sicherheit; daher der Koͤnig,
obgleich er sich sehr ungern von mir trennte, beschloß,
mich mit dringenden Empfehlungen nach Rom und Por-
tugall zu senden.“

„Von einem alten treuen Diener begleitet, und mit
Geschenken uͤberhaͤuft, reisete ich ab. Unter den letztern
befand sich eine Schachtel von Mahagony, mit Gold be-
schlagen, in welcher eine Jnstruktion fuͤr Prinzen lag,
die zum Thron bestimmt sind. Der Koͤnig von England
hatte sie ganz eigenhaͤndig geschrieben, und der Verlust
dieses Kleinods war mir am schmerzlichsten, als ich nach-
her aller meiner Habseligkeiten beraubt wurde. Jch
schiffte mich zu Portsmuth ein, und landete nach einer
langen Fahrt, im Hafen von Ostia, von da ich nach
Rom gieng, und Pius dem VJJ. ein eigenhaͤndiges Schrei-
ben des Koͤnigs von England uͤberbrachte. Der Pabst
erstaunte, liebkosete und segnete mich, wollte mich sogar
insgeheim salben, und ließ mir, um mich stets wieder zu
erkennen, das franzoͤsische Wappen auf das rechte Bein,
und die Worte, vive le Roi, auf den linken Arm bren-
nen. Es geschah in Beiseyn von 20 Kardinaͤlen. Hier-
auf gieng ich bald durch Spanien nach Portugall.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0106" n="106"/>
va&#x0364;terlich. Zuweilen spielte der Ko&#x0364;nig sogar mit mir wie ein<lb/>
Kind, bei welcher Gelegenheit ich ihm einst eine Ohr-<lb/>
feige gab.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mein Oheim, der Graf Artois, war so wu&#x0364;thend<lb/>
u&#x0364;ber die Aufnahme, die mir widerfuhr, daß er einst<lb/>
durch Einen seiner Ko&#x0364;che meine Suppe vergiften ließ.<lb/>
Man entdeckte das Vorhaben noch zu rechter Zeit, und<lb/>
gab mir schnell Gegengift. Der Ko&#x0364;nig wollte meinen<lb/>
Oheim arretiren lassen, ich bat fu&#x0364;r ihn, und wendete den<lb/>
Blitz der Rache von ihm ab. Mein Leben war nun aber<lb/>
in England nicht mehr in Sicherheit; daher der Ko&#x0364;nig,<lb/>
obgleich er sich sehr ungern von mir trennte, beschloß,<lb/>
mich mit dringenden Empfehlungen nach Rom und Por-<lb/>
tugall zu senden.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Von einem alten treuen Diener begleitet, und mit<lb/>
Geschenken u&#x0364;berha&#x0364;uft, reisete ich ab. Unter den letztern<lb/>
befand sich eine Schachtel von Mahagony, mit Gold be-<lb/>
schlagen, in welcher eine Jnstruktion fu&#x0364;r Prinzen lag,<lb/>
die zum Thron bestimmt sind. Der Ko&#x0364;nig von England<lb/>
hatte sie ganz eigenha&#x0364;ndig geschrieben, und der Verlust<lb/>
dieses Kleinods war mir am schmerzlichsten, als ich nach-<lb/>
her aller meiner Habseligkeiten beraubt wurde. Jch<lb/>
schiffte mich zu Portsmuth ein, und landete nach einer<lb/>
langen Fahrt, im Hafen von <hi rendition="#g">Ostia,</hi> von da ich nach<lb/>
Rom gieng, und Pius dem VJJ. ein eigenha&#x0364;ndiges Schrei-<lb/>
ben des Ko&#x0364;nigs von England u&#x0364;berbrachte. Der Pabst<lb/>
erstaunte, liebkosete und segnete mich, wollte mich sogar<lb/>
insgeheim salben, und ließ mir, um mich stets wieder zu<lb/>
erkennen, das franzo&#x0364;sische Wappen auf das rechte Bein,<lb/>
und die Worte, vive le Roi, auf den linken Arm bren-<lb/>
nen. Es geschah in Beiseyn von 20 Kardina&#x0364;len. Hier-<lb/>
auf gieng ich bald durch Spanien nach Portugall.&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[106/0106] vaͤterlich. Zuweilen spielte der Koͤnig sogar mit mir wie ein Kind, bei welcher Gelegenheit ich ihm einst eine Ohr- feige gab.“ „Mein Oheim, der Graf Artois, war so wuͤthend uͤber die Aufnahme, die mir widerfuhr, daß er einst durch Einen seiner Koͤche meine Suppe vergiften ließ. Man entdeckte das Vorhaben noch zu rechter Zeit, und gab mir schnell Gegengift. Der Koͤnig wollte meinen Oheim arretiren lassen, ich bat fuͤr ihn, und wendete den Blitz der Rache von ihm ab. Mein Leben war nun aber in England nicht mehr in Sicherheit; daher der Koͤnig, obgleich er sich sehr ungern von mir trennte, beschloß, mich mit dringenden Empfehlungen nach Rom und Por- tugall zu senden.“ „Von einem alten treuen Diener begleitet, und mit Geschenken uͤberhaͤuft, reisete ich ab. Unter den letztern befand sich eine Schachtel von Mahagony, mit Gold be- schlagen, in welcher eine Jnstruktion fuͤr Prinzen lag, die zum Thron bestimmt sind. Der Koͤnig von England hatte sie ganz eigenhaͤndig geschrieben, und der Verlust dieses Kleinods war mir am schmerzlichsten, als ich nach- her aller meiner Habseligkeiten beraubt wurde. Jch schiffte mich zu Portsmuth ein, und landete nach einer langen Fahrt, im Hafen von Ostia, von da ich nach Rom gieng, und Pius dem VJJ. ein eigenhaͤndiges Schrei- ben des Koͤnigs von England uͤberbrachte. Der Pabst erstaunte, liebkosete und segnete mich, wollte mich sogar insgeheim salben, und ließ mir, um mich stets wieder zu erkennen, das franzoͤsische Wappen auf das rechte Bein, und die Worte, vive le Roi, auf den linken Arm bren- nen. Es geschah in Beiseyn von 20 Kardinaͤlen. Hier- auf gieng ich bald durch Spanien nach Portugall.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/106
Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/106>, abgerufen am 24.11.2024.