likaner mich ausgeliefert hatten. Diesem politischen Zwie- spalt wurde ich, mit des listigen Puysaye's Hilfe, ge- opfert. Charette selbst, den ich oft zu Pferde begleitete, verboth mir ernstlich, meinen Stand zu entdecken. Der Ruf von meinem Tode fand immer mehr Glauben. Die wenigen besser Unterrichteten durften es nicht wagen, sich und mich selbst in Gefahr zu setzen. Endlich verlangte Eng- land meine Auslieferung, theils unter dem Vorwand, die Jdentität meiner Person zu bewahrheiten, theils weil ohnehin die koalisirten Mächte mich anerkennen müßten. Jch wurde also auf der Küste von St. Jean de Monts eingeschifft, und, von dem Chevalier de la Roberie be- gleitet, landete ich zu Jersey, wo der Prinz von Bouillon mich mit Auszeichnung empfieng. Der Che- valier hatte eine von den Royalistenchefs, unterzeichnete Erklärung bei sich, wodurch sie mich für den Sohn und Erben Ludwig des XVJ. erkannten. Dasselbe that der Herzog von Bouillon im Stillen. Das Podagra hielt ihn ab, mich vollends hinüber nach England zu begleiten."
"Bei meiner Ankunft zu Londen wurde ich sogleich zu dem Herzog von Harcourt, Gesandten der französi- schen Prinzen am englischen Hofe, geführt, der mich kalt empfieng, und impertinente Fragen an mich that, auf die ich ihn keiner Antwort würdigte. Graf Artois wollte mich nicht sehen; und nun war es klar, daß man Ab- sichten hatte, denen ich im Wege stand. Jndessen be- wirkte mir der Chevalier de la Roberie eine geheime Au- dienz bei dem Könige, dem man Vieles verschwiegen hatte. Ob Se. Majestät gleich, dem Rath ihrer Minister zu- folge, mich nicht öffentlich anerkennen konnten, so ließen Sie mir doch Zimmer im Schlosse einräumen, mich an- ständig bedienen, und behandelten mich überhaupt sehr
likaner mich ausgeliefert hatten. Diesem politischen Zwie- spalt wurde ich, mit des listigen Puysaye's Hilfe, ge- opfert. Charette selbst, den ich oft zu Pferde begleitete, verboth mir ernstlich, meinen Stand zu entdecken. Der Ruf von meinem Tode fand immer mehr Glauben. Die wenigen besser Unterrichteten durften es nicht wagen, sich und mich selbst in Gefahr zu setzen. Endlich verlangte Eng- land meine Auslieferung, theils unter dem Vorwand, die Jdentitaͤt meiner Person zu bewahrheiten, theils weil ohnehin die koalisirten Maͤchte mich anerkennen muͤßten. Jch wurde also auf der Kuͤste von St. Jean de Monts eingeschifft, und, von dem Chevalier de la Roberie be- gleitet, landete ich zu Jersey, wo der Prinz von Bouillon mich mit Auszeichnung empfieng. Der Che- valier hatte eine von den Royalistenchefs, unterzeichnete Erklaͤrung bei sich, wodurch sie mich fuͤr den Sohn und Erben Ludwig des XVJ. erkannten. Dasselbe that der Herzog von Bouillon im Stillen. Das Podagra hielt ihn ab, mich vollends hinuͤber nach England zu begleiten.“
„Bei meiner Ankunft zu Londen wurde ich sogleich zu dem Herzog von Harcourt, Gesandten der franzoͤsi- schen Prinzen am englischen Hofe, gefuͤhrt, der mich kalt empfieng, und impertinente Fragen an mich that, auf die ich ihn keiner Antwort wuͤrdigte. Graf Artois wollte mich nicht sehen; und nun war es klar, daß man Ab- sichten hatte, denen ich im Wege stand. Jndessen be- wirkte mir der Chevalier de la Roberie eine geheime Au- dienz bei dem Koͤnige, dem man Vieles verschwiegen hatte. Ob Se. Majestaͤt gleich, dem Rath ihrer Minister zu- folge, mich nicht oͤffentlich anerkennen konnten, so ließen Sie mir doch Zimmer im Schlosse einraͤumen, mich an- staͤndig bedienen, und behandelten mich uͤberhaupt sehr
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likaner mich ausgeliefert hatten. Diesem politischen Zwie-
spalt wurde ich, mit des listigen Puysaye's Hilfe, ge-
opfert. Charette selbst, den ich oft zu Pferde begleitete,
verboth mir ernstlich, meinen Stand zu entdecken. Der
Ruf von meinem Tode fand immer mehr Glauben. Die
wenigen besser Unterrichteten durften es nicht wagen, sich
und mich selbst in Gefahr zu setzen. Endlich verlangte Eng-
land meine Auslieferung, theils unter dem Vorwand,
die Jdentitaͤt meiner Person zu bewahrheiten, theils weil
ohnehin die koalisirten Maͤchte mich anerkennen muͤßten.
Jch wurde also auf der Kuͤste von St. Jean de Monts
eingeschifft, und, von dem Chevalier de la Roberie be-
gleitet, landete ich zu Jersey, wo der Prinz von
Bouillon mich mit Auszeichnung empfieng. Der Che-
valier hatte eine von den Royalistenchefs, unterzeichnete
Erklaͤrung bei sich, wodurch sie mich fuͤr den Sohn und
Erben Ludwig des XVJ. erkannten. Dasselbe that der
Herzog von Bouillon im Stillen. Das Podagra hielt ihn
ab, mich vollends hinuͤber nach England zu begleiten.“
„Bei meiner Ankunft zu Londen wurde ich sogleich
zu dem Herzog von Harcourt, Gesandten der franzoͤsi-
schen Prinzen am englischen Hofe, gefuͤhrt, der mich kalt
empfieng, und impertinente Fragen an mich that, auf
die ich ihn keiner Antwort wuͤrdigte. Graf Artois wollte
mich nicht sehen; und nun war es klar, daß man Ab-
sichten hatte, denen ich im Wege stand. Jndessen be-
wirkte mir der Chevalier de la Roberie eine geheime Au-
dienz bei dem Koͤnige, dem man Vieles verschwiegen hatte.
Ob Se. Majestaͤt gleich, dem Rath ihrer Minister zu-
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Sie mir doch Zimmer im Schlosse einraͤumen, mich an-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/105>, abgerufen am 08.07.2024.
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