sey gestorben. Dessault aber wurde vorgefodert, und mit so bittern Vorwürfen überhäuft, daß er, von Kummer und Verdruß überwältigt, in eine schwere Krankheit fiel und starb. Mein kleiner Stellvertreter that dasselbe. Dessaults Nachfolger öffnete den Leichnam, merkte auch wohl, daß es nicht der meinige sey, und bediente sich daher im Proces verbal der zweideutigen Worte: nous sommes procedes a l' ouverture d' un Cadavre, que les Commissaires nous presenterent comme celui du fils de Louis Capet."
"Jndessen rollte ich mit meinem Befreiern auf der Landstraße. Die frische Luft und das Schütteln des Wa- gens zogen mir anfangs eine Ohnmacht zu. Als ich aber an beides mich gewöhnt hatte, machte der freie An- blick der Natur mir unaussprechliches Vergnügen. Die Bewegung, deren ich so lange entbehren mußte, und die gute reichliche Nahrung, mit der man mich versah, stärk- ten meine Gesundheit sichtbarlich. Wir kamen glücklich in das Hauptquartier der Royalisten nach Belleville, wo man mich mit einer Art von Gouvernante in das Schloß logirte. Nach Charette, der eben nicht zugegen war, wurden Bothen ausgesandt. Er besuchte mich mit Stofflet, betrachtete mich sehr genau, war kalt und einsylbig, bezeigte mir aber alle Ehrerbiethung. -- Wie die Friedensunterhandlungen durch die Treulosigkeit der Republikaner abgebrochen wurden, ist bekannt. Die un- glückliche Expedition von Quiberon hatte einen trau- rigen Einfluß auf mein Schicksal. Das Kabinet von St. James, und die französischen Prinzen, besonders der Graf Artois, wollten Nichts von einer be- schränkten Monarchie hören, zu welcher die Ro- yalisten sich verstanden, und um deren willen die Repub-
sey gestorben. Dessault aber wurde vorgefodert, und mit so bittern Vorwuͤrfen uͤberhaͤuft, daß er, von Kummer und Verdruß uͤberwaͤltigt, in eine schwere Krankheit fiel und starb. Mein kleiner Stellvertreter that dasselbe. Dessaults Nachfolger oͤffnete den Leichnam, merkte auch wohl, daß es nicht der meinige sey, und bediente sich daher im Procès verbal der zweideutigen Worte: nous sommes procédes à l' ouverture d' un Cadavre, que les Commissaires nous présentèrent comme celui du fils de Louis Capet.“
„Jndessen rollte ich mit meinem Befreiern auf der Landstraße. Die frische Luft und das Schuͤtteln des Wa- gens zogen mir anfangs eine Ohnmacht zu. Als ich aber an beides mich gewoͤhnt hatte, machte der freie An- blick der Natur mir unaussprechliches Vergnuͤgen. Die Bewegung, deren ich so lange entbehren mußte, und die gute reichliche Nahrung, mit der man mich versah, staͤrk- ten meine Gesundheit sichtbarlich. Wir kamen gluͤcklich in das Hauptquartier der Royalisten nach Belleville, wo man mich mit einer Art von Gouvernante in das Schloß logirte. Nach Charette, der eben nicht zugegen war, wurden Bothen ausgesandt. Er besuchte mich mit Stofflet, betrachtete mich sehr genau, war kalt und einsylbig, bezeigte mir aber alle Ehrerbiethung. — Wie die Friedensunterhandlungen durch die Treulosigkeit der Republikaner abgebrochen wurden, ist bekannt. Die un- gluͤckliche Expedition von Quiberon hatte einen trau- rigen Einfluß auf mein Schicksal. Das Kabinet von St. James, und die franzoͤsischen Prinzen, besonders der Graf Artois, wollten Nichts von einer be- schraͤnkten Monarchie hoͤren, zu welcher die Ro- yalisten sich verstanden, und um deren willen die Repub-
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sey gestorben. Dessault aber wurde vorgefodert, und mit
so bittern Vorwuͤrfen uͤberhaͤuft, daß er, von Kummer
und Verdruß uͤberwaͤltigt, in eine schwere Krankheit fiel
und starb. Mein kleiner Stellvertreter that dasselbe.
Dessaults Nachfolger oͤffnete den Leichnam, merkte auch
wohl, daß es nicht der meinige sey, und bediente sich
daher im Procès verbal der zweideutigen Worte: nous
sommes procédes à l' ouverture d' un Cadavre, que
les Commissaires nous présentèrent comme celui du
fils de Louis Capet.“
„Jndessen rollte ich mit meinem Befreiern auf der
Landstraße. Die frische Luft und das Schuͤtteln des Wa-
gens zogen mir anfangs eine Ohnmacht zu. Als ich
aber an beides mich gewoͤhnt hatte, machte der freie An-
blick der Natur mir unaussprechliches Vergnuͤgen. Die
Bewegung, deren ich so lange entbehren mußte, und die
gute reichliche Nahrung, mit der man mich versah, staͤrk-
ten meine Gesundheit sichtbarlich. Wir kamen gluͤcklich
in das Hauptquartier der Royalisten nach Belleville, wo
man mich mit einer Art von Gouvernante in das Schloß
logirte. Nach Charette, der eben nicht zugegen war,
wurden Bothen ausgesandt. Er besuchte mich mit
Stofflet, betrachtete mich sehr genau, war kalt und
einsylbig, bezeigte mir aber alle Ehrerbiethung. — Wie
die Friedensunterhandlungen durch die Treulosigkeit der
Republikaner abgebrochen wurden, ist bekannt. Die un-
gluͤckliche Expedition von Quiberon hatte einen trau-
rigen Einfluß auf mein Schicksal. Das Kabinet von
St. James, und die franzoͤsischen Prinzen, besonders
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/104>, abgerufen am 17.02.2025.
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