glück an schwer zu unterhaltende Nachbaren zu gerathen, so wird der Gaumenkitzel theuer erkauft. Das letztere ist mir jedoch selten widerfahren, ich erinnere mich hingegen mit Vergnügen einer Mittagstafel bei Cambaceres, wo mein Nachbar, der General Cesar Berthier, durch eine äußerst lebhafte Erzählung der Einnahme von Tabago durch die Engländer, mich sowohl die engen Sitze als die lecke- ren Speisen vergessen machte. -- Eine Gewohnheit, die mir wohl gefällt, die ich jedoch nur in diesem Hause ge- funden zu haben mich entsinne, ist, daß das Eis erst nach dem Kaffee herum präsentirt wird. -- Die Tischge- sellschaft besteht gewöhnlich aus 30 bis 40 Personen; un- ter den Damen sind viele Generalinnen, und unter allen Generalinnen, die ich gesehen habe, keine die älter wäre als etwa 28 Jahr. -- Nach der Tafel finden sich die Be- suchenden bei Hunderten ein, und man hat Gelegenheit sehr interessante Bekanntschaften zu machen. Hier sah ich den Weltumsegler Bougainville, der, wie es scheint, den Versuch machen will, wie alt man werden kann, oh- ne etwas von Munterkeit und Liebenswürdigkeit zu verlie- ren. Hier sah ich Barbe-Marbois, den wackern Gefährten Barthelemi's auf seiner Deportations-Reise nach Cayenne; Portalis, den aufgeklärten, biedern Chef der geistlichen Einrichtungen: den alten weiß lockig- ten Guillotin, den mit Unrecht berüchtigten Er- finder der Guillotine, denn bei dieser Erfindung hat ihn rei- ne Menschenliebe geleitet. Man hat in Deutschland sehr oft gesagt, er selbst sei das erste Opfer der Guillotine ge- worden; er befindet sich aber noch sehr wohl, und hat nie in dergleichen Gefahr geschwebt. Mehrere dieser Herren waren neugierig, etwas von Weimar zu hören, wel- ches Städtchen sie sich nicht blos als den Sitz der deut-
gluͤck an schwer zu unterhaltende Nachbaren zu gerathen, so wird der Gaumenkitzel theuer erkauft. Das letztere ist mir jedoch selten widerfahren, ich erinnere mich hingegen mit Vergnuͤgen einer Mittagstafel bei Cambaceres, wo mein Nachbar, der General Cesar Berthier, durch eine aͤußerst lebhafte Erzaͤhlung der Einnahme von Tabago durch die Englaͤnder, mich sowohl die engen Sitze als die lecke- ren Speisen vergessen machte. — Eine Gewohnheit, die mir wohl gefaͤllt, die ich jedoch nur in diesem Hause ge- funden zu haben mich entsinne, ist, daß das Eis erst nach dem Kaffee herum praͤsentirt wird. — Die Tischge- sellschaft besteht gewoͤhnlich aus 30 bis 40 Personen; un- ter den Damen sind viele Generalinnen, und unter allen Generalinnen, die ich gesehen habe, keine die aͤlter waͤre als etwa 28 Jahr. — Nach der Tafel finden sich die Be- suchenden bei Hunderten ein, und man hat Gelegenheit sehr interessante Bekanntschaften zu machen. Hier sah ich den Weltumsegler Bougainville, der, wie es scheint, den Versuch machen will, wie alt man werden kann, oh- ne etwas von Munterkeit und Liebenswuͤrdigkeit zu verlie- ren. Hier sah ich Barbé-Marbois, den wackern Gefaͤhrten Barthelemi's auf seiner Deportations-Reise nach Cayenne; Portalis, den aufgeklaͤrten, biedern Chef der geistlichen Einrichtungen: den alten weiß lockig- ten Guillotin, den mit Unrecht beruͤchtigten Er- finder der Guillotine, denn bei dieser Erfindung hat ihn rei- ne Menschenliebe geleitet. Man hat in Deutschland sehr oft gesagt, er selbst sei das erste Opfer der Guillotine ge- worden; er befindet sich aber noch sehr wohl, und hat nie in dergleichen Gefahr geschwebt. Mehrere dieser Herren waren neugierig, etwas von Weimar zu hoͤren, wel- ches Staͤdtchen sie sich nicht blos als den Sitz der deut-
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gluͤck an schwer zu unterhaltende Nachbaren zu gerathen,
so wird der Gaumenkitzel theuer erkauft. Das letztere ist
mir jedoch selten widerfahren, ich erinnere mich hingegen
mit Vergnuͤgen einer Mittagstafel bei Cambaceres, wo
mein Nachbar, der General Cesar Berthier, durch eine
aͤußerst lebhafte Erzaͤhlung der Einnahme von Tabago durch
die Englaͤnder, mich sowohl die engen Sitze als die lecke-
ren Speisen vergessen machte. — Eine Gewohnheit, die
mir wohl gefaͤllt, die ich jedoch nur in diesem Hause ge-
funden zu haben mich entsinne, ist, daß das Eis erst
nach dem Kaffee herum praͤsentirt wird. — Die Tischge-
sellschaft besteht gewoͤhnlich aus 30 bis 40 Personen; un-
ter den Damen sind viele Generalinnen, und unter allen
Generalinnen, die ich gesehen habe, keine die aͤlter waͤre
als etwa 28 Jahr. — Nach der Tafel finden sich die Be-
suchenden bei Hunderten ein, und man hat Gelegenheit
sehr interessante Bekanntschaften zu machen. Hier sah ich
den Weltumsegler Bougainville, der, wie es scheint,
den Versuch machen will, wie alt man werden kann, oh-
ne etwas von Munterkeit und Liebenswuͤrdigkeit zu verlie-
ren. Hier sah ich Barbé-Marbois, den wackern
Gefaͤhrten Barthelemi's auf seiner Deportations-Reise
nach Cayenne; Portalis, den aufgeklaͤrten, biedern
Chef der geistlichen Einrichtungen: den alten weiß lockig-
ten Guillotin, den mit Unrecht beruͤchtigten Er-
finder der Guillotine, denn bei dieser Erfindung hat ihn rei-
ne Menschenliebe geleitet. Man hat in Deutschland sehr
oft gesagt, er selbst sei das erste Opfer der Guillotine ge-
worden; er befindet sich aber noch sehr wohl, und hat nie
in dergleichen Gefahr geschwebt. Mehrere dieser Herren
waren neugierig, etwas von Weimar zu hoͤren, wel-
ches Staͤdtchen sie sich nicht blos als den Sitz der deut-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/98>, abgerufen am 16.02.2025.
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