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Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.

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schenkt vielerlei Getränke selbst ein, und ruft die Gäste
sehr höflich auf zu erklären, ob sie davon wollen? --
Ohngeachtet des großen Ueberflusses von Speisen, sind
doch nur wenige Schüsseln so eingerichtet, daß allenfalls
jeder Gast davon nehmen könnte, sondern, in der Vor-
aussetzung eines verschiedenen Geschmacks, werden nur
die Hauptschüsseln von den Bedienten herum getragen, die
übrigen bleiben stehen, und der vor dem sie grade steht,
legt davon vor, wenn Jemand ihm seinen Teller schickt. --
Sehr gut finde ich es, daß man nicht so vielerlei Wei-
ne
giebt, als z. B. bei uns in Berlin, wo man am Ende
der Mahlzeit gewöhnlich zehn bis zwölf verschiedene Glä-
ser vor sich stehen hat. Nur ein paar gute Tischweine,
ein paar Dessert Weine und kein Champagner. Es wird,
Gott sey Dank, sehr geschwind servirt, fast ein wenig zu
geschwind. Wer in dieser Rücksicht einmal die beiden
Extreme zu versuchen Lust hat, der esse heute beim ersten
Konsul, und morgen in einem guten Berliner Bürgerhau-
se, so hat er heute nicht Zeit sich satt zu essen, morgen
aber vollkommen Zeit zweimal zu verdauen und wieder von
vorne anzufangen; denn in diesen Häusern glaubt man
noch, ein Gastmahl sey nicht vollständig und gereiche dem
Wirth nicht zur Ehre, wenn die Gäste nicht über das
lange Sitzen in Verzweiflung gerathen. -- Bei dem
Konsul Cambaceres würde das lange Sitzen noch beschwer-
licher werden, weil man auf kleinen Strohstühlen so sehr
eng sitzen muß, daß man durchaus nur die Hände und
die Arme rühren kann. Jch halte es mit dem deutschen
Sprichwort: gut gesessen halb gegessen, und
mein Gaumen kann der Leckereien nicht froh werden, wenn
ich alle Augenblicke in Gefahr bin Ribbenstöße zu geben
oder zu empfangen. Hat man nun vollends etwa das Un-

schenkt vielerlei Getraͤnke selbst ein, und ruft die Gaͤste
sehr hoͤflich auf zu erklaͤren, ob sie davon wollen? —
Ohngeachtet des großen Ueberflusses von Speisen, sind
doch nur wenige Schuͤsseln so eingerichtet, daß allenfalls
jeder Gast davon nehmen koͤnnte, sondern, in der Vor-
aussetzung eines verschiedenen Geschmacks, werden nur
die Hauptschuͤsseln von den Bedienten herum getragen, die
uͤbrigen bleiben stehen, und der vor dem sie grade steht,
legt davon vor, wenn Jemand ihm seinen Teller schickt. —
Sehr gut finde ich es, daß man nicht so vielerlei Wei-
ne
giebt, als z. B. bei uns in Berlin, wo man am Ende
der Mahlzeit gewoͤhnlich zehn bis zwoͤlf verschiedene Glaͤ-
ser vor sich stehen hat. Nur ein paar gute Tischweine,
ein paar Dessert Weine und kein Champagner. Es wird,
Gott sey Dank, sehr geschwind servirt, fast ein wenig zu
geschwind. Wer in dieser Ruͤcksicht einmal die beiden
Extreme zu versuchen Lust hat, der esse heute beim ersten
Konsul, und morgen in einem guten Berliner Buͤrgerhau-
se, so hat er heute nicht Zeit sich satt zu essen, morgen
aber vollkommen Zeit zweimal zu verdauen und wieder von
vorne anzufangen; denn in diesen Haͤusern glaubt man
noch, ein Gastmahl sey nicht vollstaͤndig und gereiche dem
Wirth nicht zur Ehre, wenn die Gaͤste nicht uͤber das
lange Sitzen in Verzweiflung gerathen. — Bei dem
Konsul Cambaceres wuͤrde das lange Sitzen noch beschwer-
licher werden, weil man auf kleinen Strohstuͤhlen so sehr
eng sitzen muß, daß man durchaus nur die Haͤnde und
die Arme ruͤhren kann. Jch halte es mit dem deutschen
Sprichwort: gut gesessen halb gegessen, und
mein Gaumen kann der Leckereien nicht froh werden, wenn
ich alle Augenblicke in Gefahr bin Ribbenstoͤße zu geben
oder zu empfangen. Hat man nun vollends etwa das Un-

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[93/0097] schenkt vielerlei Getraͤnke selbst ein, und ruft die Gaͤste sehr hoͤflich auf zu erklaͤren, ob sie davon wollen? — Ohngeachtet des großen Ueberflusses von Speisen, sind doch nur wenige Schuͤsseln so eingerichtet, daß allenfalls jeder Gast davon nehmen koͤnnte, sondern, in der Vor- aussetzung eines verschiedenen Geschmacks, werden nur die Hauptschuͤsseln von den Bedienten herum getragen, die uͤbrigen bleiben stehen, und der vor dem sie grade steht, legt davon vor, wenn Jemand ihm seinen Teller schickt. — Sehr gut finde ich es, daß man nicht so vielerlei Wei- ne giebt, als z. B. bei uns in Berlin, wo man am Ende der Mahlzeit gewoͤhnlich zehn bis zwoͤlf verschiedene Glaͤ- ser vor sich stehen hat. Nur ein paar gute Tischweine, ein paar Dessert Weine und kein Champagner. Es wird, Gott sey Dank, sehr geschwind servirt, fast ein wenig zu geschwind. Wer in dieser Ruͤcksicht einmal die beiden Extreme zu versuchen Lust hat, der esse heute beim ersten Konsul, und morgen in einem guten Berliner Buͤrgerhau- se, so hat er heute nicht Zeit sich satt zu essen, morgen aber vollkommen Zeit zweimal zu verdauen und wieder von vorne anzufangen; denn in diesen Haͤusern glaubt man noch, ein Gastmahl sey nicht vollstaͤndig und gereiche dem Wirth nicht zur Ehre, wenn die Gaͤste nicht uͤber das lange Sitzen in Verzweiflung gerathen. — Bei dem Konsul Cambaceres wuͤrde das lange Sitzen noch beschwer- licher werden, weil man auf kleinen Strohstuͤhlen so sehr eng sitzen muß, daß man durchaus nur die Haͤnde und die Arme ruͤhren kann. Jch halte es mit dem deutschen Sprichwort: gut gesessen halb gegessen, und mein Gaumen kann der Leckereien nicht froh werden, wenn ich alle Augenblicke in Gefahr bin Ribbenstoͤße zu geben oder zu empfangen. Hat man nun vollends etwa das Un-

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/97>, abgerufen am 24.11.2024.