wahres -- aber ein interessantes Buch. Doch da ich auf politische Raisonnements oder Träume mich nicht einlassen mag; da es, vor gänzlich hergestellter Ruhe, zu früh ist, Bonaparte als Regenten zu beurtheilen, und da die Schilderungen von ihm als Privatmann, sich gar zu oft widersprechen; so ist es Pflicht, den unsichern Pinsel für den künftigen Maler, dem die Zeit täglich vorarbeitet, niederzulegen.
Die Vorstellung beim zweiten und drit- ten Konsul ist mit wenig Umständen verknüpft, wenn nemlich die bei dem ersten vorhergegangen ist. Der Mi- nister, zu dem man gehört, wählt einen Tag, an wel- chem die beiden Konsuln zu essen geben, das ist Dienstags und Sonnabends. Nach aufgehobener Mittagstafel, et- wa Abends gegen neun Uhr, fährt man hin. Auch sie haben in ihren Höfen und Corridors Wachen von Konsu- lar-Garde, die nicht etwa blos aus einzelnen ihnen zuge- sandten Schildwachen bestehen, sondern unter Commando eines Officiers ordentlich bei ihnen aufziehen. Jhre Woh- nungen sind ziemlich geräumig, aber prunklos; schöne Go- belins ist das Einzige wodurch sie sich auszeichnen. Jn der Thür des Gesellschafts-Saals steht -- (wie überhaupt in Paris in allen großen Häusern) ein Offiziant oder Kam- merdiener, der eigentlich Anmelder heißen sollte; denn ihm sagt jeder Kommende seinen Namen, und er ruft die- sen Namen laut in das Zimmer hinein, in dem Augenbli- cke da der Fremde eintritt. Diese Gewohnheit ist auf ei- ner Seite sehr vortheilhaft für die versammelte Gesellschaft, die dadurch sogleich unterrichtet wird, wen sie vor sich hat; man kann aber nicht läugnen, daß sie den Eintretenden nothwendig etwas verlegen machen muß, zumal wenn er etwa einen nicht ganz unbekannten Namen trägt, und
wahres — aber ein interessantes Buch. Doch da ich auf politische Raisonnements oder Traͤume mich nicht einlassen mag; da es, vor gaͤnzlich hergestellter Ruhe, zu fruͤh ist, Bonaparte als Regenten zu beurtheilen, und da die Schilderungen von ihm als Privatmann, sich gar zu oft widersprechen; so ist es Pflicht, den unsichern Pinsel fuͤr den kuͤnftigen Maler, dem die Zeit taͤglich vorarbeitet, niederzulegen.
Die Vorstellung beim zweiten und drit- ten Konsul ist mit wenig Umstaͤnden verknuͤpft, wenn nemlich die bei dem ersten vorhergegangen ist. Der Mi- nister, zu dem man gehoͤrt, waͤhlt einen Tag, an wel- chem die beiden Konsuln zu essen geben, das ist Dienstags und Sonnabends. Nach aufgehobener Mittagstafel, et- wa Abends gegen neun Uhr, faͤhrt man hin. Auch sie haben in ihren Hoͤfen und Corridors Wachen von Konsu- lar-Garde, die nicht etwa blos aus einzelnen ihnen zuge- sandten Schildwachen bestehen, sondern unter Commando eines Officiers ordentlich bei ihnen aufziehen. Jhre Woh- nungen sind ziemlich geraͤumig, aber prunklos; schoͤne Go- belins ist das Einzige wodurch sie sich auszeichnen. Jn der Thuͤr des Gesellschafts-Saals steht — (wie uͤberhaupt in Paris in allen großen Haͤusern) ein Offiziant oder Kam- merdiener, der eigentlich Anmelder heißen sollte; denn ihm sagt jeder Kommende seinen Namen, und er ruft die- sen Namen laut in das Zimmer hinein, in dem Augenbli- cke da der Fremde eintritt. Diese Gewohnheit ist auf ei- ner Seite sehr vortheilhaft fuͤr die versammelte Gesellschaft, die dadurch sogleich unterrichtet wird, wen sie vor sich hat; man kann aber nicht laͤugnen, daß sie den Eintretenden nothwendig etwas verlegen machen muß, zumal wenn er etwa einen nicht ganz unbekannten Namen traͤgt, und
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wahres — aber ein interessantes Buch. Doch da ich auf
politische Raisonnements oder Traͤume mich nicht einlassen
mag; da es, vor gaͤnzlich hergestellter Ruhe, zu fruͤh ist,
Bonaparte als Regenten zu beurtheilen, und da die
Schilderungen von ihm als Privatmann, sich gar zu
oft widersprechen; so ist es Pflicht, den unsichern Pinsel
fuͤr den kuͤnftigen Maler, dem die Zeit taͤglich vorarbeitet,
niederzulegen.
Die Vorstellung beim zweiten und drit-
ten Konsul ist mit wenig Umstaͤnden verknuͤpft, wenn
nemlich die bei dem ersten vorhergegangen ist. Der Mi-
nister, zu dem man gehoͤrt, waͤhlt einen Tag, an wel-
chem die beiden Konsuln zu essen geben, das ist Dienstags
und Sonnabends. Nach aufgehobener Mittagstafel, et-
wa Abends gegen neun Uhr, faͤhrt man hin. Auch sie
haben in ihren Hoͤfen und Corridors Wachen von Konsu-
lar-Garde, die nicht etwa blos aus einzelnen ihnen zuge-
sandten Schildwachen bestehen, sondern unter Commando
eines Officiers ordentlich bei ihnen aufziehen. Jhre Woh-
nungen sind ziemlich geraͤumig, aber prunklos; schoͤne Go-
belins ist das Einzige wodurch sie sich auszeichnen. Jn
der Thuͤr des Gesellschafts-Saals steht — (wie uͤberhaupt
in Paris in allen großen Haͤusern) ein Offiziant oder Kam-
merdiener, der eigentlich Anmelder heißen sollte; denn
ihm sagt jeder Kommende seinen Namen, und er ruft die-
sen Namen laut in das Zimmer hinein, in dem Augenbli-
cke da der Fremde eintritt. Diese Gewohnheit ist auf ei-
ner Seite sehr vortheilhaft fuͤr die versammelte Gesellschaft,
die dadurch sogleich unterrichtet wird, wen sie vor sich hat;
man kann aber nicht laͤugnen, daß sie den Eintretenden
nothwendig etwas verlegen machen muß, zumal wenn er
etwa einen nicht ganz unbekannten Namen traͤgt, und
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/95>, abgerufen am 28.07.2024.
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