a la Tumanskoi macht, und auf alle Vorstellungen, die man an ihn ergehen läßt, nichts weiter antwortet, als: "Wollen Sie, daß ich meinen Platz verliere? Jch habe "sonst nichts, wovon ich leben könnte."
Sollte es nun aber wirklich wahr seyn, daß der Mann seinen Platz zu verlieren Gefahr laufen würde, wenn er eine weniger alberne Strenge ausübte, so würde die Re- gierung einen der gültigsten Ansprüche auf den ehrenvollen Ruf der Liberalität verlieren, und, weil das jedem Welt- bürger schmerzlich seyn muß, so wünsche ich von Herzen, daß jene von Nogaret geäußerte Befürchtung nur das kin- dische Geschwätz eines alten Mannes seyn möge, welches, wenn es Bonaparte zu Ohren kommt, hoffentlich nicht von ihm gebilligt werden wird. Aber auch selbst in diesem Fal- le ist es immer sehr drückend für Literatur und Kunst, daß man einem solchen invaliden Censor nicht besser auf die Finger sieht. Ein Schriftsteller wie ich, der unter ei- ner der liberalsten und eben deswegen sichersten Regie- rungen Europa's zu leben das Glück hat, fühlt natürlich doppelt das Empörende jenes Druckes, und tröstet sich gern, im Genuß ächter Freiheit, die vom Throne herabstrahlt, über kleinliche Armseligkeiten, die ihm seinen Beruf zuweilen verbittern. --
Noch eine kleine Anekdote von Mercier, dem berühm- ten Verfasser des tableau de Paris, gehört hieher, ob sie gleich nicht dem alten Nogaret, der blos Schauspiel-Cen- sor ist, zur Last fällt. Mercier saß bekanntlich 14 oder 16 Monate lang gefangen, und vertrieb sich diese böse Zeit durch eine Widerlegung Newtons, die oft in Per- siflage ausartete. Er ließ nachher die Frucht seiner Ein- samkeit drucken, und auch hier witterte der seltsamste Arg- wohn, es sey wohl unter dem Namen Newton ein ganz
à la Tumanskoi macht, und auf alle Vorstellungen, die man an ihn ergehen laͤßt, nichts weiter antwortet, als: „Wollen Sie, daß ich meinen Platz verliere? Jch habe „sonst nichts, wovon ich leben koͤnnte.“
Sollte es nun aber wirklich wahr seyn, daß der Mann seinen Platz zu verlieren Gefahr laufen wuͤrde, wenn er eine weniger alberne Strenge ausuͤbte, so wuͤrde die Re- gierung einen der guͤltigsten Anspruͤche auf den ehrenvollen Ruf der Liberalitaͤt verlieren, und, weil das jedem Welt- buͤrger schmerzlich seyn muß, so wuͤnsche ich von Herzen, daß jene von Nogaret geaͤußerte Befuͤrchtung nur das kin- dische Geschwaͤtz eines alten Mannes seyn moͤge, welches, wenn es Bonaparte zu Ohren kommt, hoffentlich nicht von ihm gebilligt werden wird. Aber auch selbst in diesem Fal- le ist es immer sehr druͤckend fuͤr Literatur und Kunst, daß man einem solchen invaliden Censor nicht besser auf die Finger sieht. Ein Schriftsteller wie ich, der unter ei- ner der liberalsten und eben deswegen sichersten Regie- rungen Europa's zu leben das Gluͤck hat, fuͤhlt natuͤrlich doppelt das Empoͤrende jenes Druckes, und troͤstet sich gern, im Genuß aͤchter Freiheit, die vom Throne herabstrahlt, uͤber kleinliche Armseligkeiten, die ihm seinen Beruf zuweilen verbittern. —
Noch eine kleine Anekdote von Mercier, dem beruͤhm- ten Verfasser des tableau de Paris, gehoͤrt hieher, ob sie gleich nicht dem alten Nogaret, der blos Schauspiel-Cen- sor ist, zur Last faͤllt. Mercier saß bekanntlich 14 oder 16 Monate lang gefangen, und vertrieb sich diese boͤse Zeit durch eine Widerlegung Newtons, die oft in Per- siflage ausartete. Er ließ nachher die Frucht seiner Ein- samkeit drucken, und auch hier witterte der seltsamste Arg- wohn, es sey wohl unter dem Namen Newton ein ganz
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à la Tumanskoi macht, und auf alle Vorstellungen, die
man an ihn ergehen laͤßt, nichts weiter antwortet, als:
„Wollen Sie, daß ich meinen Platz verliere? Jch habe
„sonst nichts, wovon ich leben koͤnnte.“
Sollte es nun aber wirklich wahr seyn, daß der Mann
seinen Platz zu verlieren Gefahr laufen wuͤrde, wenn er
eine weniger alberne Strenge ausuͤbte, so wuͤrde die Re-
gierung einen der guͤltigsten Anspruͤche auf den ehrenvollen
Ruf der Liberalitaͤt verlieren, und, weil das jedem Welt-
buͤrger schmerzlich seyn muß, so wuͤnsche ich von Herzen,
daß jene von Nogaret geaͤußerte Befuͤrchtung nur das kin-
dische Geschwaͤtz eines alten Mannes seyn moͤge, welches,
wenn es Bonaparte zu Ohren kommt, hoffentlich nicht von
ihm gebilligt werden wird. Aber auch selbst in diesem Fal-
le ist es immer sehr druͤckend fuͤr Literatur und Kunst,
daß man einem solchen invaliden Censor nicht besser auf
die Finger sieht. Ein Schriftsteller wie ich, der unter ei-
ner der liberalsten und eben deswegen sichersten Regie-
rungen Europa's zu leben das Gluͤck hat, fuͤhlt natuͤrlich
doppelt das Empoͤrende jenes Druckes, und troͤstet sich
gern, im Genuß aͤchter Freiheit, die vom Throne
herabstrahlt, uͤber kleinliche Armseligkeiten, die ihm seinen
Beruf zuweilen verbittern. —
Noch eine kleine Anekdote von Mercier, dem beruͤhm-
ten Verfasser des tableau de Paris, gehoͤrt hieher, ob sie
gleich nicht dem alten Nogaret, der blos Schauspiel-Cen-
sor ist, zur Last faͤllt. Mercier saß bekanntlich 14 oder
16 Monate lang gefangen, und vertrieb sich diese boͤse
Zeit durch eine Widerlegung Newtons, die oft in Per-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/92>, abgerufen am 27.07.2024.
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