nen wollen, der vormals im Artillerie-Corps eine solche Uniform trug; man geht so weit, die sämmtlichen im Stück gebrauchten Kleider holen zu lassen. Man findet nichts, dennoch wird der Autor nach St. Domingo exilirt, zwar nicht als Dichter, sondern als Officier der Marine, weil er ohne gehörigen Urlaub auf einige Tage nach Paris gekommen war. Aus seinem eigenen Munde habe ich es, daß er, bereits eingeschifft, auf der Rhede von einer schwe- ren Krankheit befallen, wieder ans Land gebracht, und in einem langen Arrest gehalten wurde, bis endlich wirksame Fürsprache es dahin brachte, daß dieser Arrest ihm als Strafe seines Vergehens angerechnet wurde. Jetzt ist der liebenswürdige junge Mann frei, lebt in Paris, studirt die republikanische Vorsicht, und läßt sein Vorzimmer unter einem andern Titel aufführen. --
Ein anderer Dichter macht ein lustiges Stück, in wel- chem ein gesunder wohlgewachsener Mensch an einer Jnsel landet, die von lauter Bucklichten bewohnt wird, folglich findet man ihn ungestalt und lacht ihn aus. Da sagt er am Ende: "wenn ich einmal unter lauter Blinde gerathen sollte, so würde ich, um ihnen ähnlich zu seyn, mir bei- de Augen ausstechen lassen." -- Jn diesen Worten fand der Censor eine Satire auf dienigen Soldaten, welche in Egypten ihr Gesicht verloren. -- Ein anderer schrieb ein Stück: Belisaire. Der Censor glaubte den General Mo- reau darin zu erkennen, und verbot es. -- Fermez la porte, (macht die Thür zu), darf nicht gesagt werden, denn zugemachte Thüren deuten auf eine Verschwörung. -- Das Wort brigand darf man sich auch nicht entwischen lassen, denn man könnte Männer darunter verstehen, die an der Staatsverwaltung Theil nehmen. -- Nogaret heißt der Mann von 63 Jahren, der solche saubere Stückchen
nen wollen, der vormals im Artillerie-Corps eine solche Uniform trug; man geht so weit, die saͤmmtlichen im Stuͤck gebrauchten Kleider holen zu lassen. Man findet nichts, dennoch wird der Autor nach St. Domingo exilirt, zwar nicht als Dichter, sondern als Officier der Marine, weil er ohne gehoͤrigen Urlaub auf einige Tage nach Paris gekommen war. Aus seinem eigenen Munde habe ich es, daß er, bereits eingeschifft, auf der Rhede von einer schwe- ren Krankheit befallen, wieder ans Land gebracht, und in einem langen Arrest gehalten wurde, bis endlich wirksame Fuͤrsprache es dahin brachte, daß dieser Arrest ihm als Strafe seines Vergehens angerechnet wurde. Jetzt ist der liebenswuͤrdige junge Mann frei, lebt in Paris, studirt die republikanische Vorsicht, und laͤßt sein Vorzimmer unter einem andern Titel auffuͤhren. —
Ein anderer Dichter macht ein lustiges Stuͤck, in wel- chem ein gesunder wohlgewachsener Mensch an einer Jnsel landet, die von lauter Bucklichten bewohnt wird, folglich findet man ihn ungestalt und lacht ihn aus. Da sagt er am Ende: „wenn ich einmal unter lauter Blinde gerathen sollte, so wuͤrde ich, um ihnen aͤhnlich zu seyn, mir bei- de Augen ausstechen lassen.“ — Jn diesen Worten fand der Censor eine Satire auf dienigen Soldaten, welche in Egypten ihr Gesicht verloren. — Ein anderer schrieb ein Stuͤck: Belisaire. Der Censor glaubte den General Mo- reau darin zu erkennen, und verbot es. — Fermez la porte, (macht die Thuͤr zu), darf nicht gesagt werden, denn zugemachte Thuͤren deuten auf eine Verschwoͤrung. — Das Wort brigand darf man sich auch nicht entwischen lassen, denn man koͤnnte Maͤnner darunter verstehen, die an der Staatsverwaltung Theil nehmen. — Nogaret heißt der Mann von 63 Jahren, der solche saubere Stuͤckchen
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nen wollen, der vormals im Artillerie-Corps eine solche
Uniform trug; man geht so weit, die saͤmmtlichen im Stuͤck
gebrauchten Kleider holen zu lassen. Man findet nichts,
dennoch wird der Autor nach St. Domingo exilirt,
zwar nicht als Dichter, sondern als Officier der Marine,
weil er ohne gehoͤrigen Urlaub auf einige Tage nach Paris
gekommen war. Aus seinem eigenen Munde habe ich es,
daß er, bereits eingeschifft, auf der Rhede von einer schwe-
ren Krankheit befallen, wieder ans Land gebracht, und in
einem langen Arrest gehalten wurde, bis endlich wirksame
Fuͤrsprache es dahin brachte, daß dieser Arrest ihm als
Strafe seines Vergehens angerechnet wurde. Jetzt ist der
liebenswuͤrdige junge Mann frei, lebt in Paris, studirt
die republikanische Vorsicht, und laͤßt sein Vorzimmer
unter einem andern Titel auffuͤhren. —
Ein anderer Dichter macht ein lustiges Stuͤck, in wel-
chem ein gesunder wohlgewachsener Mensch an einer Jnsel
landet, die von lauter Bucklichten bewohnt wird, folglich
findet man ihn ungestalt und lacht ihn aus. Da sagt er
am Ende: „wenn ich einmal unter lauter Blinde gerathen
sollte, so wuͤrde ich, um ihnen aͤhnlich zu seyn, mir bei-
de Augen ausstechen lassen.“ — Jn diesen Worten fand
der Censor eine Satire auf dienigen Soldaten, welche in
Egypten ihr Gesicht verloren. — Ein anderer schrieb ein
Stuͤck: Belisaire. Der Censor glaubte den General Mo-
reau darin zu erkennen, und verbot es. — Fermez la
porte, (macht die Thuͤr zu), darf nicht gesagt werden,
denn zugemachte Thuͤren deuten auf eine Verschwoͤrung. —
Das Wort brigand darf man sich auch nicht entwischen
lassen, denn man koͤnnte Maͤnner darunter verstehen, die
an der Staatsverwaltung Theil nehmen. — Nogaret heißt
der Mann von 63 Jahren, der solche saubere Stuͤckchen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/91>, abgerufen am 16.02.2025.
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