nen Besuch in der Dämmerung. Jch wette, das Mäd- chen hat da ein Pulver erfunden, das mehr einträgt und weniger kostet als das Goldpulver der berühmten Alchy- misten. -- Aber was will den der Matrose mit seinem Mikroskop? wo hat er das beschmutzte mit Drath zusam- men geflickte Ding aufgetrieben? was zeigt er dadurch? -- Nichts mehr und nichts weniger als einen Floh. Dafür bezahlt man ihm einen Sous. -- Ei nun, sein Nachbar, hundert Schritt davon, weiß auch aus Kleinigkeiten Vor- theil zu ziehen. Der Schlaukopf hat sich ein paar Bogen von dem Papier zu verschaffen gewußt, welches die Ma- ler zum Durchzeichnen brauchen, und zeigt nun dem erstaunten Pöbel für einen Sous, wie man in der größ- ten Geschwindigkeit Gemälde kopiren könne. -- Treten wir einen Augenblick in diese Bude. Hochtönend verkün- det die Jnschrift ein Wunder: "wer nicht glauben will, "der komme und sehe!" und was denn? einen Floh, der einen Elephanten zieht; einen Floh, der einen Wagen mit sechs Pferden, nebst Herren und Damen herumkutschirt; einen Floh, dem eine metallene Kugel mit einer goldenen Kette an den Fuß befestigt worden, und der lustig damit hin und her hüpft. Alles das ist nicht erlogen. Es hat sich wirklich ein Mensch die ungeheure Mühe gegeben, Ele- phanten, Wagen, Ketten u. s. w. von Gold so fein zu verfertigen, und dem Floh Fesseln anzuschmieden. Was aber noch weit spashafter ist und von einer seltsamen Er- findungsgabe zeugt: der Tausendkünstler producirt auch zwei Fliegen, die sich auf den Degen duelliren. Das hat er nemlich folgendermaßen zu Stande gebracht: Zwei Fliegen sind perpendikulär hinter ihren Flügeln an zwei Nadeln befestigt, so daß sie ihre sechs Beine vor sich hin halten. Sie werden einander gegenüber ziemlich nah
nen Besuch in der Daͤmmerung. Jch wette, das Maͤd- chen hat da ein Pulver erfunden, das mehr eintraͤgt und weniger kostet als das Goldpulver der beruͤhmten Alchy- misten. — Aber was will den der Matrose mit seinem Mikroskop? wo hat er das beschmutzte mit Drath zusam- men geflickte Ding aufgetrieben? was zeigt er dadurch? — Nichts mehr und nichts weniger als einen Floh. Dafuͤr bezahlt man ihm einen Sous. — Ei nun, sein Nachbar, hundert Schritt davon, weiß auch aus Kleinigkeiten Vor- theil zu ziehen. Der Schlaukopf hat sich ein paar Bogen von dem Papier zu verschaffen gewußt, welches die Ma- ler zum Durchzeichnen brauchen, und zeigt nun dem erstaunten Poͤbel fuͤr einen Sous, wie man in der groͤß- ten Geschwindigkeit Gemaͤlde kopiren koͤnne. — Treten wir einen Augenblick in diese Bude. Hochtoͤnend verkuͤn- det die Jnschrift ein Wunder: „wer nicht glauben will, „der komme und sehe!“ und was denn? einen Floh, der einen Elephanten zieht; einen Floh, der einen Wagen mit sechs Pferden, nebst Herren und Damen herumkutschirt; einen Floh, dem eine metallene Kugel mit einer goldenen Kette an den Fuß befestigt worden, und der lustig damit hin und her huͤpft. Alles das ist nicht erlogen. Es hat sich wirklich ein Mensch die ungeheure Muͤhe gegeben, Ele- phanten, Wagen, Ketten u. s. w. von Gold so fein zu verfertigen, und dem Floh Fesseln anzuschmieden. Was aber noch weit spashafter ist und von einer seltsamen Er- findungsgabe zeugt: der Tausendkuͤnstler producirt auch zwei Fliegen, die sich auf den Degen duelliren. Das hat er nemlich folgendermaßen zu Stande gebracht: Zwei Fliegen sind perpendikulaͤr hinter ihren Fluͤgeln an zwei Nadeln befestigt, so daß sie ihre sechs Beine vor sich hin halten. Sie werden einander gegenuͤber ziemlich nah
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nen Besuch in der Daͤmmerung. Jch wette, das Maͤd-
chen hat da ein Pulver erfunden, das mehr eintraͤgt und
weniger kostet als das Goldpulver der beruͤhmten Alchy-
misten. — Aber was will den der Matrose mit seinem
Mikroskop? wo hat er das beschmutzte mit Drath zusam-
men geflickte Ding aufgetrieben? was zeigt er dadurch? —
Nichts mehr und nichts weniger als einen Floh. Dafuͤr
bezahlt man ihm einen Sous. — Ei nun, sein Nachbar,
hundert Schritt davon, weiß auch aus Kleinigkeiten Vor-
theil zu ziehen. Der Schlaukopf hat sich ein paar Bogen
von dem Papier zu verschaffen gewußt, welches die Ma-
ler zum Durchzeichnen brauchen, und zeigt nun dem
erstaunten Poͤbel fuͤr einen Sous, wie man in der groͤß-
ten Geschwindigkeit Gemaͤlde kopiren koͤnne. — Treten
wir einen Augenblick in diese Bude. Hochtoͤnend verkuͤn-
det die Jnschrift ein Wunder: „wer nicht glauben will,
„der komme und sehe!“ und was denn? einen Floh, der
einen Elephanten zieht; einen Floh, der einen Wagen mit
sechs Pferden, nebst Herren und Damen herumkutschirt;
einen Floh, dem eine metallene Kugel mit einer goldenen
Kette an den Fuß befestigt worden, und der lustig damit
hin und her huͤpft. Alles das ist nicht erlogen. Es hat
sich wirklich ein Mensch die ungeheure Muͤhe gegeben, Ele-
phanten, Wagen, Ketten u. s. w. von Gold so fein zu
verfertigen, und dem Floh Fesseln anzuschmieden. Was
aber noch weit spashafter ist und von einer seltsamen Er-
findungsgabe zeugt: der Tausendkuͤnstler producirt auch
zwei Fliegen, die sich auf den Degen duelliren.
Das hat er nemlich folgendermaßen zu Stande gebracht:
Zwei Fliegen sind perpendikulaͤr hinter ihren Fluͤgeln an
zwei Nadeln befestigt, so daß sie ihre sechs Beine vor sich
hin halten. Sie werden einander gegenuͤber ziemlich nah
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/59>, abgerufen am 16.02.2025.
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