in Berlin, welches bekanntlich viel sagen will. -- Alles schimpft hier auf die Revolution, entweder aus Ueber- zeugung, oder weil es jetzt Mode ist, darauf zu schim- pfen. Dennoch haben sich noch manche Ueberreste aus den Revolutionssitten erhalten; z. B. Männer aus allen Klas- sen nehmen den Hut nicht mehr ab, Hausknechte und Postillione sogar treten mit dem Hut auf dem Kopfe zu Jhnen in's Zimmer. Wenn das bloß eine Mode wä- re, so möchte es immer hingehen, denn Frauenzimmer und Türken nehmen ja auch die Hüte nicht ab; aber in so fern es ein Zeichen der hochbelobten egalite und fra- ternite seyn soll, in so fern ist es abgeschmackt.
Zwischen Lyon und Paris.
Wenn Sie jemals eine Reise durch Frankreich ma- chen, so rathe ich Jhnen, es ja nicht mit Jhrem eigenen Wagen, mit Extrapost zu thun: denn Sie werden zwan- zig Mal mehr ausgeben, als Sie sich vorgenommen hat- ten, und die Schikanen und Neckereien nehmen kein En- de. Zuerst sind die Postverordnungen in Ansehung der Anzahl der Pferde, welche Sie nehmen müssen, die son- derbarsten von der Welt, und Sie werden dadurch ganz in die Hände des Posthalters gegeben. Zwei Personen müssen 3 Pferde nehmen und 4 bezahlen, 3 Personen müs- sen 4 Pferde nehmen und 5 bezahlen u. s. w. Dabei wird nicht die geringste Rücksicht auf den Wagen und das Ge- päck genommen, es sey so leicht es wolle. Jn Genf spännte man mir 2 Pferde vor, denn in der That bedurf- te ich nicht mehr. Einige Stationen weiter gab man mir 3, in Lyon 4, und ich mußte 5 bezahlen; endlich drang man mir gar auch zwei Postillions auf, um des doppel- ten Trinkgeldes willen. Hierzu kommt denn noch das
in Berlin, welches bekanntlich viel sagen will. — Alles schimpft hier auf die Revolution, entweder aus Ueber- zeugung, oder weil es jetzt Mode ist, darauf zu schim- pfen. Dennoch haben sich noch manche Ueberreste aus den Revolutionssitten erhalten; z. B. Maͤnner aus allen Klas- sen nehmen den Hut nicht mehr ab, Hausknechte und Postillione sogar treten mit dem Hut auf dem Kopfe zu Jhnen in's Zimmer. Wenn das bloß eine Mode waͤ- re, so moͤchte es immer hingehen, denn Frauenzimmer und Tuͤrken nehmen ja auch die Huͤte nicht ab; aber in so fern es ein Zeichen der hochbelobten égalité und fra- ternité seyn soll, in so fern ist es abgeschmackt.
Zwischen Lyon und Paris.
Wenn Sie jemals eine Reise durch Frankreich ma- chen, so rathe ich Jhnen, es ja nicht mit Jhrem eigenen Wagen, mit Extrapost zu thun: denn Sie werden zwan- zig Mal mehr ausgeben, als Sie sich vorgenommen hat- ten, und die Schikanen und Neckereien nehmen kein En- de. Zuerst sind die Postverordnungen in Ansehung der Anzahl der Pferde, welche Sie nehmen muͤssen, die son- derbarsten von der Welt, und Sie werden dadurch ganz in die Haͤnde des Posthalters gegeben. Zwei Personen muͤssen 3 Pferde nehmen und 4 bezahlen, 3 Personen muͤs- sen 4 Pferde nehmen und 5 bezahlen u. s. w. Dabei wird nicht die geringste Ruͤcksicht auf den Wagen und das Ge- paͤck genommen, es sey so leicht es wolle. Jn Genf spaͤnnte man mir 2 Pferde vor, denn in der That bedurf- te ich nicht mehr. Einige Stationen weiter gab man mir 3, in Lyon 4, und ich mußte 5 bezahlen; endlich drang man mir gar auch zwei Postillions auf, um des doppel- ten Trinkgeldes willen. Hierzu kommt denn noch das
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in Berlin, welches bekanntlich viel sagen will. — Alles
schimpft hier auf die Revolution, entweder aus Ueber-
zeugung, oder weil es jetzt Mode ist, darauf zu schim-
pfen. Dennoch haben sich noch manche Ueberreste aus den
Revolutionssitten erhalten; z. B. Maͤnner aus allen Klas-
sen nehmen den Hut nicht mehr ab, Hausknechte und
Postillione sogar treten mit dem Hut auf dem Kopfe zu
Jhnen in's Zimmer. Wenn das bloß eine Mode waͤ-
re, so moͤchte es immer hingehen, denn Frauenzimmer
und Tuͤrken nehmen ja auch die Huͤte nicht ab; aber in
so fern es ein Zeichen der hochbelobten égalité und fra-
ternité seyn soll, in so fern ist es abgeschmackt.
Zwischen Lyon und Paris.
Wenn Sie jemals eine Reise durch Frankreich ma-
chen, so rathe ich Jhnen, es ja nicht mit Jhrem eigenen
Wagen, mit Extrapost zu thun: denn Sie werden zwan-
zig Mal mehr ausgeben, als Sie sich vorgenommen hat-
ten, und die Schikanen und Neckereien nehmen kein En-
de. Zuerst sind die Postverordnungen in Ansehung der
Anzahl der Pferde, welche Sie nehmen muͤssen, die son-
derbarsten von der Welt, und Sie werden dadurch ganz
in die Haͤnde des Posthalters gegeben. Zwei Personen
muͤssen 3 Pferde nehmen und 4 bezahlen, 3 Personen muͤs-
sen 4 Pferde nehmen und 5 bezahlen u. s. w. Dabei wird
nicht die geringste Ruͤcksicht auf den Wagen und das Ge-
paͤck genommen, es sey so leicht es wolle. Jn Genf
spaͤnnte man mir 2 Pferde vor, denn in der That bedurf-
te ich nicht mehr. Einige Stationen weiter gab man mir
3, in Lyon 4, und ich mußte 5 bezahlen; endlich drang
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/46>, abgerufen am 08.07.2024.
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