sten Haß nähren die Schweizer gegen den General Ander- matt, den Bombardierer von Zürich. Er lebt auf seinem Landgute ruhig, weil die tiefste Verachtung ihn schützt. Auf die Russen sind sie auch nicht gut zu spre- chen. Sie rühmen dem General Korsakoff nach, daß er die Bibliothek fleißig besucht, und sich für die Wissenschaf- ten interessirt habe; übrigens aber halten sie ihn für kei- nen geschickten General. Als man ihm rapportirte, die Franzosen hätten bereits einen Berg besetzt, der Zürich dominirt, sagte er: tant mieux! c'est la que je les at- tendois. Gleich darauf mußte er aber retiriren, und wußte nicht einmahl, aus welchem Thore er seine Flucht bewerkstelligen sollte; die Züricher mußten ihm den Weg zeigen. Seine Bagage gieng dennoch verloren; die Fran- zösischen Husaren machten große Beute, und hatten der beschwerlichen Laubthaler so viele in ihren Müzzen, daß sie gern zehn bis fünfzehn für einen Louisd'or im Golde gaben, weil sie das Gold leichter fortbringen konnten. -- Jn der That muß man hierher nach Zürich reisen, um aus jedem Munde eine Menge von merkwürdigen Anekdo- ten zu hören, die gar nicht bekannt geworden sind, und dennoch ein helles Licht auf die damaligen Begebenheiten werfen.
Baden, in der Schweiz.
Hier fand ich eine Verordnung des Sittengerich- tes angeschlagen, die eben kein Kompliment für den Geist unserer Zeit ist. Sie soll im Ganzen eine anständigere Beobachtung der Sonntagsfeier einschärfen: sie verbietet Spielen, Tanzen, Vogelschießen, Fischefangen, Schwim- men u. dgl. am Sonntage, und befiehlt: "daß alle ver- heirathete Bürger in der Kirche in Mänteln, die ledi-
sten Haß naͤhren die Schweizer gegen den General Ander- matt, den Bombardierer von Zuͤrich. Er lebt auf seinem Landgute ruhig, weil die tiefste Verachtung ihn schuͤtzt. Auf die Russen sind sie auch nicht gut zu spre- chen. Sie ruͤhmen dem General Korsakoff nach, daß er die Bibliothek fleißig besucht, und sich fuͤr die Wissenschaf- ten interessirt habe; uͤbrigens aber halten sie ihn fuͤr kei- nen geschickten General. Als man ihm rapportirte, die Franzosen haͤtten bereits einen Berg besetzt, der Zuͤrich dominirt, sagte er: tant mieux! c'est là que je les at- tendois. Gleich darauf mußte er aber retiriren, und wußte nicht einmahl, aus welchem Thore er seine Flucht bewerkstelligen sollte; die Zuͤricher mußten ihm den Weg zeigen. Seine Bagage gieng dennoch verloren; die Fran- zoͤsischen Husaren machten große Beute, und hatten der beschwerlichen Laubthaler so viele in ihren Muͤzzen, daß sie gern zehn bis fuͤnfzehn fuͤr einen Louisd'or im Golde gaben, weil sie das Gold leichter fortbringen konnten. — Jn der That muß man hierher nach Zuͤrich reisen, um aus jedem Munde eine Menge von merkwuͤrdigen Anekdo- ten zu hoͤren, die gar nicht bekannt geworden sind, und dennoch ein helles Licht auf die damaligen Begebenheiten werfen.
Baden, in der Schweiz.
Hier fand ich eine Verordnung des Sittengerich- tes angeschlagen, die eben kein Kompliment fuͤr den Geist unserer Zeit ist. Sie soll im Ganzen eine anstaͤndigere Beobachtung der Sonntagsfeier einschaͤrfen: sie verbietet Spielen, Tanzen, Vogelschießen, Fischefangen, Schwim- men u. dgl. am Sonntage, und befiehlt: „daß alle ver- heirathete Buͤrger in der Kirche in Maͤnteln, die ledi-
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sten Haß naͤhren die Schweizer gegen den General Ander-
matt, den Bombardierer von Zuͤrich. Er lebt auf
seinem Landgute ruhig, weil die tiefste Verachtung ihn
schuͤtzt. Auf die Russen sind sie auch nicht gut zu spre-
chen. Sie ruͤhmen dem General Korsakoff nach, daß er
die Bibliothek fleißig besucht, und sich fuͤr die Wissenschaf-
ten interessirt habe; uͤbrigens aber halten sie ihn fuͤr kei-
nen geschickten General. Als man ihm rapportirte, die
Franzosen haͤtten bereits einen Berg besetzt, der Zuͤrich
dominirt, sagte er: tant mieux! c'est là que je les at-
tendois. Gleich darauf mußte er aber retiriren, und
wußte nicht einmahl, aus welchem Thore er seine Flucht
bewerkstelligen sollte; die Zuͤricher mußten ihm den Weg
zeigen. Seine Bagage gieng dennoch verloren; die Fran-
zoͤsischen Husaren machten große Beute, und hatten der
beschwerlichen Laubthaler so viele in ihren Muͤzzen, daß
sie gern zehn bis fuͤnfzehn fuͤr einen Louisd'or im Golde
gaben, weil sie das Gold leichter fortbringen konnten. —
Jn der That muß man hierher nach Zuͤrich reisen, um
aus jedem Munde eine Menge von merkwuͤrdigen Anekdo-
ten zu hoͤren, die gar nicht bekannt geworden sind, und
dennoch ein helles Licht auf die damaligen Begebenheiten
werfen.
Baden, in der Schweiz.
Hier fand ich eine Verordnung des Sittengerich-
tes angeschlagen, die eben kein Kompliment fuͤr den Geist
unserer Zeit ist. Sie soll im Ganzen eine anstaͤndigere
Beobachtung der Sonntagsfeier einschaͤrfen: sie verbietet
Spielen, Tanzen, Vogelschießen, Fischefangen, Schwim-
men u. dgl. am Sonntage, und befiehlt: „daß alle ver-
heirathete Buͤrger in der Kirche in Maͤnteln, die ledi-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/32>, abgerufen am 02.03.2025.
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