Jch habe in Stuttgard das Theater besucht. Der Saal ist nicht imposant, und wird noch durch eine sehr schmutzige Lampe verunstaltet, die in der Mitte herab- hängt. Man gab die Oper Achilles, in welcher ich ei- nen braven Tenoristen hörte, der Krebs heißt, ein schö- ner Mann, und, was man so selten beisammen trifft, zugleich ein guter Schauspieler ist. Die Chöre giengen gut, wurden auch lebhaft gespielt. Das Orchester, unter Kranzens Direktion, war vortrefflich. Alles übrige verdient keine Erwähnung. -- Daß Stuttgard eine berühmte Bibelsammlung besitzt, können Sie überall lesen; das Bibelsammeln ist eine Liebhaberei, von der ich nichts begreife.
Hechingen und Duttlingen.
Fast mit derselben Empfindung, mit der ich am letz- ten Orte das Bächlein ansah, welches der Donau seinen Namen giebt, und fernerhin als ein majestätischer Fluß zwischen blühenden Ufern sich fortwälzt, fast mit derselben Empfindung betrachtete ich zu Hechingen das al- te Schloß Hohenzollern, die Stammburg unsers gu- ten Königs. Dort oben war es also, wo die reine hei- tere Bergluft das Geschlecht seiner Ahnherren stark und wacker machte, daß es seine Tugenden forterben konnte, bis auf unsere Zeiten. Hier also ist das Bächlein ent- sprungen, das, jetzt ein mächtiger Fluß, so herrlich zwi- schen gesegneten Ufern strömt! -- Jn stille, mannichfal- tige Betrachtungen versunken, sah ich lange mit unver- wandtem Blick hinauf; der Mondschein kam meiner Phan- tasie zu Hülfe, und ich glaubte endlich, den behelmten Kopf des alten Thassilo zu sehen, der über die grauen
Stuttgard.
Jch habe in Stuttgard das Theater besucht. Der Saal ist nicht imposant, und wird noch durch eine sehr schmutzige Lampe verunstaltet, die in der Mitte herab- haͤngt. Man gab die Oper Achilles, in welcher ich ei- nen braven Tenoristen hoͤrte, der Krebs heißt, ein schoͤ- ner Mann, und, was man so selten beisammen trifft, zugleich ein guter Schauspieler ist. Die Choͤre giengen gut, wurden auch lebhaft gespielt. Das Orchester, unter Kranzens Direktion, war vortrefflich. Alles uͤbrige verdient keine Erwaͤhnung. — Daß Stuttgard eine beruͤhmte Bibelsammlung besitzt, koͤnnen Sie uͤberall lesen; das Bibelsammeln ist eine Liebhaberei, von der ich nichts begreife.
Hechingen und Duttlingen.
Fast mit derselben Empfindung, mit der ich am letz- ten Orte das Baͤchlein ansah, welches der Donau seinen Namen giebt, und fernerhin als ein majestaͤtischer Fluß zwischen bluͤhenden Ufern sich fortwaͤlzt, fast mit derselben Empfindung betrachtete ich zu Hechingen das al- te Schloß Hohenzollern, die Stammburg unsers gu- ten Koͤnigs. Dort oben war es also, wo die reine hei- tere Bergluft das Geschlecht seiner Ahnherren stark und wacker machte, daß es seine Tugenden forterben konnte, bis auf unsere Zeiten. Hier also ist das Baͤchlein ent- sprungen, das, jetzt ein maͤchtiger Fluß, so herrlich zwi- schen gesegneten Ufern stroͤmt! — Jn stille, mannichfal- tige Betrachtungen versunken, sah ich lange mit unver- wandtem Blick hinauf; der Mondschein kam meiner Phan- tasie zu Huͤlfe, und ich glaubte endlich, den behelmten Kopf des alten Thassilo zu sehen, der uͤber die grauen
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Stuttgard.
Jch habe in Stuttgard das Theater besucht. Der
Saal ist nicht imposant, und wird noch durch eine sehr
schmutzige Lampe verunstaltet, die in der Mitte herab-
haͤngt. Man gab die Oper Achilles, in welcher ich ei-
nen braven Tenoristen hoͤrte, der Krebs heißt, ein schoͤ-
ner Mann, und, was man so selten beisammen trifft,
zugleich ein guter Schauspieler ist. Die Choͤre giengen
gut, wurden auch lebhaft gespielt. Das Orchester,
unter Kranzens Direktion, war vortrefflich. Alles
uͤbrige verdient keine Erwaͤhnung. — Daß Stuttgard
eine beruͤhmte Bibelsammlung besitzt, koͤnnen Sie uͤberall
lesen; das Bibelsammeln ist eine Liebhaberei, von der ich
nichts begreife.
Hechingen und Duttlingen.
Fast mit derselben Empfindung, mit der ich am letz-
ten Orte das Baͤchlein ansah, welches der Donau
seinen Namen giebt, und fernerhin als ein majestaͤtischer
Fluß zwischen bluͤhenden Ufern sich fortwaͤlzt, fast mit
derselben Empfindung betrachtete ich zu Hechingen das al-
te Schloß Hohenzollern, die Stammburg unsers gu-
ten Koͤnigs. Dort oben war es also, wo die reine hei-
tere Bergluft das Geschlecht seiner Ahnherren stark und
wacker machte, daß es seine Tugenden forterben konnte,
bis auf unsere Zeiten. Hier also ist das Baͤchlein ent-
sprungen, das, jetzt ein maͤchtiger Fluß, so herrlich zwi-
schen gesegneten Ufern stroͤmt! — Jn stille, mannichfal-
tige Betrachtungen versunken, sah ich lange mit unver-
wandtem Blick hinauf; der Mondschein kam meiner Phan-
tasie zu Huͤlfe, und ich glaubte endlich, den behelmten
Kopf des alten Thassilo zu sehen, der uͤber die grauen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/28>, abgerufen am 17.02.2025.
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