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Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.

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gen aufbewahrt werden. Jch sandte daher gleich am an-
dern Morgen zu dem Archivarius, mit der Bitte, mir ei-
nen Besuch zu verstatten. Diese Bitte wurde zwar mit
aller Höflichkeit gewährt; aber -- ich rathe Jhnen, wenn
Sie jemals nach Heilbronn kommen, sich vorher wohl zu
erkundigen, ob der ächte und rechte Archivarius auch bei
der Hand sey. Diesmal war er leider verreist, und sein
Stellvertreter wußte durchaus weiter gar nichts, als daß er
ein Paar Gewölbe voll weißer Schränke zu zeigen habe.
Guten Willen muß ich ihm nachrühmen; denn er suchte
mit großer Aengstlichkeit nach dem, was ich zu sehen be-
gehrte, aber vergebens. Er gestand endlich sein Unvermö-
gen ein, und ich selbst war froh, daß er seine Leitern nur
wieder bei Seite setzte. Jch kann Jhnen daher von dem
Heilbronner Archiv weiter nichts sagen, als daß viel Pa-
pier und Pergament darin befindlich ist.

Kann ich die Briefe nicht sehen, dachte ich, so will
ich wenigstens den alten Thurm besuchen, worin Götz von
Berlichingen gefangen saß; ich will auf derselben Stelle
gehen und stehen, wo dieser rauhe Biedermann den Hohn
der Heilbronner Rathsherren erduldete. Diesen Thurm,
meinte ich, werde jedes Kind mir nachweisen können; aber
da irrte ich sehr. Wenigstens ein Dutzend Menschen von
allen Ständen wurden befragt, die alle nicht begriffen,
wovon die Rede sey, und von welchen keiner den ehrlichen
Götz jemals hatte nennen hören. (Also auch nach Jahr-
hunderten gilt noch die traurige Wahrheit, daß ein berühm-
ter Mann, da, wo er einst wandelte, vergessen wird.
Ach! alles Große und Gute wirkt der Mensch nur in die
Ferne hinaus; die ihn umgeben, sehen es gleichgültig, oder
wollen es gar nicht sehen. -- Endlich fand sich doch ein
Häscher, der mir den Thurm zu zeigen versprach: Er

gen aufbewahrt werden. Jch sandte daher gleich am an-
dern Morgen zu dem Archivarius, mit der Bitte, mir ei-
nen Besuch zu verstatten. Diese Bitte wurde zwar mit
aller Hoͤflichkeit gewaͤhrt; aber — ich rathe Jhnen, wenn
Sie jemals nach Heilbronn kommen, sich vorher wohl zu
erkundigen, ob der aͤchte und rechte Archivarius auch bei
der Hand sey. Diesmal war er leider verreist, und sein
Stellvertreter wußte durchaus weiter gar nichts, als daß er
ein Paar Gewoͤlbe voll weißer Schraͤnke zu zeigen habe.
Guten Willen muß ich ihm nachruͤhmen; denn er suchte
mit großer Aengstlichkeit nach dem, was ich zu sehen be-
gehrte, aber vergebens. Er gestand endlich sein Unvermoͤ-
gen ein, und ich selbst war froh, daß er seine Leitern nur
wieder bei Seite setzte. Jch kann Jhnen daher von dem
Heilbronner Archiv weiter nichts sagen, als daß viel Pa-
pier und Pergament darin befindlich ist.

Kann ich die Briefe nicht sehen, dachte ich, so will
ich wenigstens den alten Thurm besuchen, worin Goͤtz von
Berlichingen gefangen saß; ich will auf derselben Stelle
gehen und stehen, wo dieser rauhe Biedermann den Hohn
der Heilbronner Rathsherren erduldete. Diesen Thurm,
meinte ich, werde jedes Kind mir nachweisen koͤnnen; aber
da irrte ich sehr. Wenigstens ein Dutzend Menschen von
allen Staͤnden wurden befragt, die alle nicht begriffen,
wovon die Rede sey, und von welchen keiner den ehrlichen
Goͤtz jemals hatte nennen hoͤren. (Also auch nach Jahr-
hunderten gilt noch die traurige Wahrheit, daß ein beruͤhm-
ter Mann, da, wo er einst wandelte, vergessen wird.
Ach! alles Große und Gute wirkt der Mensch nur in die
Ferne hinaus; die ihn umgeben, sehen es gleichguͤltig, oder
wollen es gar nicht sehen. — Endlich fand sich doch ein
Haͤscher, der mir den Thurm zu zeigen versprach: Er

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[22/0026] gen aufbewahrt werden. Jch sandte daher gleich am an- dern Morgen zu dem Archivarius, mit der Bitte, mir ei- nen Besuch zu verstatten. Diese Bitte wurde zwar mit aller Hoͤflichkeit gewaͤhrt; aber — ich rathe Jhnen, wenn Sie jemals nach Heilbronn kommen, sich vorher wohl zu erkundigen, ob der aͤchte und rechte Archivarius auch bei der Hand sey. Diesmal war er leider verreist, und sein Stellvertreter wußte durchaus weiter gar nichts, als daß er ein Paar Gewoͤlbe voll weißer Schraͤnke zu zeigen habe. Guten Willen muß ich ihm nachruͤhmen; denn er suchte mit großer Aengstlichkeit nach dem, was ich zu sehen be- gehrte, aber vergebens. Er gestand endlich sein Unvermoͤ- gen ein, und ich selbst war froh, daß er seine Leitern nur wieder bei Seite setzte. Jch kann Jhnen daher von dem Heilbronner Archiv weiter nichts sagen, als daß viel Pa- pier und Pergament darin befindlich ist. Kann ich die Briefe nicht sehen, dachte ich, so will ich wenigstens den alten Thurm besuchen, worin Goͤtz von Berlichingen gefangen saß; ich will auf derselben Stelle gehen und stehen, wo dieser rauhe Biedermann den Hohn der Heilbronner Rathsherren erduldete. Diesen Thurm, meinte ich, werde jedes Kind mir nachweisen koͤnnen; aber da irrte ich sehr. Wenigstens ein Dutzend Menschen von allen Staͤnden wurden befragt, die alle nicht begriffen, wovon die Rede sey, und von welchen keiner den ehrlichen Goͤtz jemals hatte nennen hoͤren. (Also auch nach Jahr- hunderten gilt noch die traurige Wahrheit, daß ein beruͤhm- ter Mann, da, wo er einst wandelte, vergessen wird. Ach! alles Große und Gute wirkt der Mensch nur in die Ferne hinaus; die ihn umgeben, sehen es gleichguͤltig, oder wollen es gar nicht sehen. — Endlich fand sich doch ein Haͤscher, der mir den Thurm zu zeigen versprach: Er

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/26>, abgerufen am 21.11.2024.