Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.tion gab es manche feine, Sittlichkeit lügende Gesichter Viele Mohrinnen pfuschen jetzt auch den Pari- Am meisten hat mich die große Jugend man- tion gab es manche feine, Sittlichkeit luͤgende Gesichter Viele Mohrinnen pfuschen jetzt auch den Pari- Am meisten hat mich die große Jugend man- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0198" n="194"/> tion gab es manche feine, Sittlichkeit luͤgende Gesichter<lb/> darunter, jetzt sehen sie alle sogar frech und gemein aus.</p><lb/> <p>Viele <hi rendition="#g">Mohrinnen</hi> pfuschen jetzt auch den Pari-<lb/> serinnen ins Handwerk, und schauen aus ihren weißen<lb/> Kleidern wie Fliegen aus Milchtoͤpfen hervor. Doch<lb/> wenn ich nicht irre, haben sie noch eine Spur von Sitt-<lb/> samkeit uͤbrig behalten; sie stehen gleichsam verschaͤmt<lb/> da, indessen ihre weißen Schwestern plappernd und la-<lb/> chend voruͤber rauschen. Vielleicht kommt das aber auch<lb/><hi rendition="#g">daher,</hi> daß sie selten Liebhaber ihrer schwarzen Reize<lb/> finden.</p><lb/> <p>Am meisten hat mich die <hi rendition="#g">große Jugend</hi> man-<lb/> cher dieser Ungluͤcklichen empoͤrt; die <hi rendition="#g">aͤlteste</hi> unter ih-<lb/> nen ist gewiß nicht aͤlter als 18 Jahr, und die <hi rendition="#g">juͤng-<lb/> ste</hi> — o Gott! — Jch begegnete einst im Garten des<lb/> Palais royal einem Maͤdchen von etwa 12 Jahren, es<lb/> war in der Daͤmmerung, das artige Kind gieng mit<lb/> niedergeschlagenen Augen, und es fiel mir gar nicht ein,<lb/> sie zu jener Classe zu rechnen; aber eine aͤltliche corpu-<lb/> lente Frau, die etwa 10 Schritt hinter ihr gieng, hielt<lb/> mich an, zeigte mit dem Finger auf das Maͤdchen und<lb/> sagte: voilà Monsieur, ma petite débutante. — Jch<lb/> hatte Muͤhe, ihr nicht ins Gesicht zu spucken. Die et-<lb/> was vornehmere Classe der schmiegsamen Jungfrauen er-<lb/> scheint auch noch jetzt, wie vormals, in den Logen des<lb/> théatre montansier. Diese Logen werden gut von ih-<lb/> nen bezahlt, und zwar sind nicht etwa <hi rendition="#g">mehrere</hi> in <hi rendition="#g">ei-<lb/> ner</hi> Loge, sondern jede sitzt einzeln, und je nachdem sie<lb/> die Logenschließerin reichlich oder karg besoldet, fuͤhrt die-<lb/> se ihr fremde, wollusttrunkene Gimpel zu. Zwischen<lb/> den Acten wandeln diejenigen, die fuͤr diesen Abend noch<lb/> unversorgt sind, in einem schoͤnen großen Saale um-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [194/0198]
tion gab es manche feine, Sittlichkeit luͤgende Gesichter
darunter, jetzt sehen sie alle sogar frech und gemein aus.
Viele Mohrinnen pfuschen jetzt auch den Pari-
serinnen ins Handwerk, und schauen aus ihren weißen
Kleidern wie Fliegen aus Milchtoͤpfen hervor. Doch
wenn ich nicht irre, haben sie noch eine Spur von Sitt-
samkeit uͤbrig behalten; sie stehen gleichsam verschaͤmt
da, indessen ihre weißen Schwestern plappernd und la-
chend voruͤber rauschen. Vielleicht kommt das aber auch
daher, daß sie selten Liebhaber ihrer schwarzen Reize
finden.
Am meisten hat mich die große Jugend man-
cher dieser Ungluͤcklichen empoͤrt; die aͤlteste unter ih-
nen ist gewiß nicht aͤlter als 18 Jahr, und die juͤng-
ste — o Gott! — Jch begegnete einst im Garten des
Palais royal einem Maͤdchen von etwa 12 Jahren, es
war in der Daͤmmerung, das artige Kind gieng mit
niedergeschlagenen Augen, und es fiel mir gar nicht ein,
sie zu jener Classe zu rechnen; aber eine aͤltliche corpu-
lente Frau, die etwa 10 Schritt hinter ihr gieng, hielt
mich an, zeigte mit dem Finger auf das Maͤdchen und
sagte: voilà Monsieur, ma petite débutante. — Jch
hatte Muͤhe, ihr nicht ins Gesicht zu spucken. Die et-
was vornehmere Classe der schmiegsamen Jungfrauen er-
scheint auch noch jetzt, wie vormals, in den Logen des
théatre montansier. Diese Logen werden gut von ih-
nen bezahlt, und zwar sind nicht etwa mehrere in ei-
ner Loge, sondern jede sitzt einzeln, und je nachdem sie
die Logenschließerin reichlich oder karg besoldet, fuͤhrt die-
se ihr fremde, wollusttrunkene Gimpel zu. Zwischen
den Acten wandeln diejenigen, die fuͤr diesen Abend noch
unversorgt sind, in einem schoͤnen großen Saale um-
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