de bei Tripoli gefunden, und ist nicht allein eines der geschmackvollsten, sondern auch wohlerhaltensten alten Kunstwerke. -- Der sogenannte sterbende Fechter, (eigentlicher wohl auf dem Schlachtfelde seinen Geist aus- hauchender nichtrömischer Krieger oder Barbar, vielleicht ein Deutscher oder Gallier), ist durch tausend Copieen und Nachahmungen zur Genüge bekannt. Er gehört unter diejenigen Kunstwerke, die auf mich keinen Eindruck machen. Dasselbe will ich nur auch gleich ganz geschwind von dem berühmten Torso bekennen, und hiermit mein Gewissen von einer schweren Schuld ent- laden haben.
Allerliebst ist der Faun mit den Metallfle- cken, sein heiteres Lachen ist ansteckend und seine ju- gendliche Unbefangenheit so sprechend. Die eine Backe und Schulter geben einen Metallschein von sich, der ihm den Namen lieh. -- An Lieblichkeit ihm gleich ist eine junge Römerin mit einem Kopfputz, wie er in den schönsten Zeiten des römischen Reichs getragen wurde. Der Kopf ist ein Portrait. Wohl dem Vater oder Gat- ten, dem diese reine Unschuld angehörte. Vielleicht war diese Statüe ein exvoto einem Tempel geweiht, oder vielleicht zierte sie das väterliche Haus.
Es ist doch seltsam, daß, wenn man gleich zum An- staunen und Nachbeten sich nicht geschaffen fühlt, man doch immer eine gewisse Scheu behält, seine Meinung gegen die der Menge laut werden zu lassen. Eben geht es mir schon wieder so mit der Venus von Medicis und dem Laocoon. Was kann ich denn dafür, daß diese Venus mir wie ein ganz artiges Kammermädchen vorkommt, die von dem jungen Herrn von Hause im höchsten Neglige überrascht wird, und sich seinem lüster-
de bei Tripoli gefunden, und ist nicht allein eines der geschmackvollsten, sondern auch wohlerhaltensten alten Kunstwerke. — Der sogenannte sterbende Fechter, (eigentlicher wohl auf dem Schlachtfelde seinen Geist aus- hauchender nichtroͤmischer Krieger oder Barbar, vielleicht ein Deutscher oder Gallier), ist durch tausend Copieen und Nachahmungen zur Genuͤge bekannt. Er gehoͤrt unter diejenigen Kunstwerke, die auf mich keinen Eindruck machen. Dasselbe will ich nur auch gleich ganz geschwind von dem beruͤhmten Torso bekennen, und hiermit mein Gewissen von einer schweren Schuld ent- laden haben.
Allerliebst ist der Faun mit den Metallfle- cken, sein heiteres Lachen ist ansteckend und seine ju- gendliche Unbefangenheit so sprechend. Die eine Backe und Schulter geben einen Metallschein von sich, der ihm den Namen lieh. — An Lieblichkeit ihm gleich ist eine junge Roͤmerin mit einem Kopfputz, wie er in den schoͤnsten Zeiten des roͤmischen Reichs getragen wurde. Der Kopf ist ein Portrait. Wohl dem Vater oder Gat- ten, dem diese reine Unschuld angehoͤrte. Vielleicht war diese Statuͤe ein exvoto einem Tempel geweiht, oder vielleicht zierte sie das vaͤterliche Haus.
Es ist doch seltsam, daß, wenn man gleich zum An- staunen und Nachbeten sich nicht geschaffen fuͤhlt, man doch immer eine gewisse Scheu behaͤlt, seine Meinung gegen die der Menge laut werden zu lassen. Eben geht es mir schon wieder so mit der Venus von Medicis und dem Laocoon. Was kann ich denn dafuͤr, daß diese Venus mir wie ein ganz artiges Kammermaͤdchen vorkommt, die von dem jungen Herrn von Hause im hoͤchsten Negligé uͤberrascht wird, und sich seinem luͤster-
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de bei Tripoli gefunden, und ist nicht allein eines der
geschmackvollsten, sondern auch wohlerhaltensten alten
Kunstwerke. — Der sogenannte sterbende Fechter,
(eigentlicher wohl auf dem Schlachtfelde seinen Geist aus-
hauchender nichtroͤmischer Krieger oder Barbar,
vielleicht ein Deutscher oder Gallier), ist durch tausend
Copieen und Nachahmungen zur Genuͤge bekannt. Er
gehoͤrt unter diejenigen Kunstwerke, die auf mich keinen
Eindruck machen. Dasselbe will ich nur auch gleich ganz
geschwind von dem beruͤhmten Torso bekennen, und
hiermit mein Gewissen von einer schweren Schuld ent-
laden haben.
Allerliebst ist der Faun mit den Metallfle-
cken, sein heiteres Lachen ist ansteckend und seine ju-
gendliche Unbefangenheit so sprechend. Die eine Backe
und Schulter geben einen Metallschein von sich, der
ihm den Namen lieh. — An Lieblichkeit ihm gleich ist
eine junge Roͤmerin mit einem Kopfputz, wie er in
den schoͤnsten Zeiten des roͤmischen Reichs getragen wurde.
Der Kopf ist ein Portrait. Wohl dem Vater oder Gat-
ten, dem diese reine Unschuld angehoͤrte. Vielleicht war
diese Statuͤe ein exvoto einem Tempel geweiht, oder
vielleicht zierte sie das vaͤterliche Haus.
Es ist doch seltsam, daß, wenn man gleich zum An-
staunen und Nachbeten sich nicht geschaffen fuͤhlt, man
doch immer eine gewisse Scheu behaͤlt, seine Meinung
gegen die der Menge laut werden zu lassen. Eben geht
es mir schon wieder so mit der Venus von Medicis
und dem Laocoon. Was kann ich denn dafuͤr, daß
diese Venus mir wie ein ganz artiges Kammermaͤdchen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/160>, abgerufen am 08.07.2024.
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