jus. -- Ein trefflich erhaltener Sarkophag vergnügt durch seine kunstreichen Basreliefs, vorne die neun Mu- sen, an beiden Seiten Calliope, die Muse des epi- schen Gedichts, mit Homer; und Erato, die Muse der Philosophie, mit Socrates sich unterhaltend. -- Ein ruhender Faun war mir deshalb merkwürdig, weil er in einem Landhause des guten Marc Aurel ausgegraben worden, der sich vielleicht oft daran ergötzt hat. Dann hat er auch einen sehr hohen Kunstwerth, weil man aus guten Gründen vermuthet, es sey eine Copie in Marmor des Faun von Bronze des Pra- xiteles, der in ganz Griechenland so berühmt war, daß man ihn nur periboetos, den Berühmten nannte.
Ariadne auf dem Felsen von Naxos schlummernd, wird wohl nicht auf Jedermann einen so starken Eindruck hervorbringen, als sie auf mich gemacht hat, denn es ist die nemliche Bildsäule, die unter dem Namen Cleopatra bekannt ist, (ein Jrrthum, zu wel- chem ein Armband in Form einer Schlange Gelegenheit gegeben), die nemliche, von welcher eine treffliche Co- pie auf der Treppenruh im Michailowschen Pallast stand; die nemliche, vor der ich Paul den Ersten zwölf Stun- den vor seinem Tode zum letztenmale sah und sprach. Die Erinnerung an ihn wurde um so lebhafter, da der Herrscher, in dessen Lande ich mich eben befand, ihm in so manchen Stücken gleicht. --
Jch gestehe gern, daß der Jnhalt des Saals der berühmten Männer mich weit mehr interessirt hat, als die Bildsäulen aller Götter und Göttinnen. Hier findet man Zeno, das Haupt der Stoiker, und De- mosthenes, den Fürsten der Redner. Der letztere sitzt, entwickelt ein Buch auf seinen Knieen und scheint
jus. — Ein trefflich erhaltener Sarkophag vergnuͤgt durch seine kunstreichen Basreliefs, vorne die neun Mu- sen, an beiden Seiten Calliope, die Muse des epi- schen Gedichts, mit Homer; und Erato, die Muse der Philosophie, mit Socrates sich unterhaltend. — Ein ruhender Faun war mir deshalb merkwuͤrdig, weil er in einem Landhause des guten Marc Aurel ausgegraben worden, der sich vielleicht oft daran ergoͤtzt hat. Dann hat er auch einen sehr hohen Kunstwerth, weil man aus guten Gruͤnden vermuthet, es sey eine Copie in Marmor des Faun von Bronze des Pra- xiteles, der in ganz Griechenland so beruͤhmt war, daß man ihn nur periboëtos, den Beruͤhmten nannte.
Ariadne auf dem Felsen von Naxos schlummernd, wird wohl nicht auf Jedermann einen so starken Eindruck hervorbringen, als sie auf mich gemacht hat, denn es ist die nemliche Bildsaͤule, die unter dem Namen Cleopatra bekannt ist, (ein Jrrthum, zu wel- chem ein Armband in Form einer Schlange Gelegenheit gegeben), die nemliche, von welcher eine treffliche Co- pie auf der Treppenruh im Michailowschen Pallast stand; die nemliche, vor der ich Paul den Ersten zwoͤlf Stun- den vor seinem Tode zum letztenmale sah und sprach. Die Erinnerung an ihn wurde um so lebhafter, da der Herrscher, in dessen Lande ich mich eben befand, ihm in so manchen Stuͤcken gleicht. —
Jch gestehe gern, daß der Jnhalt des Saals der beruͤhmten Maͤnner mich weit mehr interessirt hat, als die Bildsaͤulen aller Goͤtter und Goͤttinnen. Hier findet man Zeno, das Haupt der Stoiker, und De- mosthenes, den Fuͤrsten der Redner. Der letztere sitzt, entwickelt ein Buch auf seinen Knieen und scheint
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jus. — Ein trefflich erhaltener Sarkophag vergnuͤgt
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schen Gedichts, mit Homer; und Erato, die Muse
der Philosophie, mit Socrates sich unterhaltend. —
Ein ruhender Faun war mir deshalb merkwuͤrdig,
weil er in einem Landhause des guten Marc Aurel
ausgegraben worden, der sich vielleicht oft daran ergoͤtzt
hat. Dann hat er auch einen sehr hohen Kunstwerth,
weil man aus guten Gruͤnden vermuthet, es sey eine
Copie in Marmor des Faun von Bronze des Pra-
xiteles, der in ganz Griechenland so beruͤhmt war,
daß man ihn nur periboëtos, den Beruͤhmten nannte.
Ariadne auf dem Felsen von Naxos
schlummernd, wird wohl nicht auf Jedermann einen so
starken Eindruck hervorbringen, als sie auf mich gemacht
hat, denn es ist die nemliche Bildsaͤule, die unter dem
Namen Cleopatra bekannt ist, (ein Jrrthum, zu wel-
chem ein Armband in Form einer Schlange Gelegenheit
gegeben), die nemliche, von welcher eine treffliche Co-
pie auf der Treppenruh im Michailowschen Pallast stand;
die nemliche, vor der ich Paul den Ersten zwoͤlf Stun-
den vor seinem Tode zum letztenmale sah und sprach.
Die Erinnerung an ihn wurde um so lebhafter, da der
Herrscher, in dessen Lande ich mich eben befand, ihm in
so manchen Stuͤcken gleicht. —
Jch gestehe gern, daß der Jnhalt des Saals der
beruͤhmten Maͤnner mich weit mehr interessirt hat,
als die Bildsaͤulen aller Goͤtter und Goͤttinnen. Hier
findet man Zeno, das Haupt der Stoiker, und De-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/158>, abgerufen am 08.07.2024.
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