Die fremde und einheimische schöne Meßwelt hat hier einen weit angenehmern point de reunion, als in Leip- zig, nehmlich keine offene, jeder Witterung ausgesetzte Straße, wie in Auerbachs Hof, sondern ein sehr geräu- miges Gebäude, in welchem alle Waaren des Luxus ein großes Viereck füllen, dessen bunter Schmuck fast zu jeder Tageszeit durch eine noch buntere Menge belebt wird.
Darmstadt.
Das Monument, welches Friedrich der Große hier seiner Freundin errichtet hat, entspricht der Erwartung nicht. Es ist einfach niedlich: vom König hätte ich etwas einfach Großes zu sehen gewünscht. Ohne die berühmte Jnschrift würde man wohl nie von diesem Denk- mählchen geredet haben. Und selbst diese Jnschrift -- es möchte Leute geben, in deren Augen sie kein Kompliment für die Landgräfin wäre. Foemina sexu, ingenio vir. Dem Geschlecht nach ein Weib, ein Mann an Geist. Also mit andern Worten, ein Mittelding von Mann und Weib. Man weiß längst, daß diese Mischung keins von beiden Geschlechtern liebenswürdig macht. Ein männliches Weib gefällt eben so wenig als ein weibischer Mann. Von einem Frauenzimmer sagen, von Geist ein Mann, ist eben so viel als einer Blume nachrüh- men: an Geruch eine Eiche.
Jn der Bergstraße.
Zum ersten Mal bin ich durch diesen Garten von Deutschland gefahren, in dem gleichsam die Vergan- genheit auf den Hügeln weilt und der schönen Gegenwart zusieht, wie sie ihr fruchtbares Wesen treibt. Wie sich doch Alles in der Welt ändert! Die Raubschlösser, die vor-
Die fremde und einheimische schoͤne Meßwelt hat hier einen weit angenehmern point de réunion, als in Leip- zig, nehmlich keine offene, jeder Witterung ausgesetzte Straße, wie in Auerbachs Hof, sondern ein sehr geraͤu- miges Gebaͤude, in welchem alle Waaren des Luxus ein großes Viereck fuͤllen, dessen bunter Schmuck fast zu jeder Tageszeit durch eine noch buntere Menge belebt wird.
Darmstadt.
Das Monument, welches Friedrich der Große hier seiner Freundin errichtet hat, entspricht der Erwartung nicht. Es ist einfach niedlich: vom Koͤnig haͤtte ich etwas einfach Großes zu sehen gewuͤnscht. Ohne die beruͤhmte Jnschrift wuͤrde man wohl nie von diesem Denk- maͤhlchen geredet haben. Und selbst diese Jnschrift — es moͤchte Leute geben, in deren Augen sie kein Kompliment fuͤr die Landgraͤfin waͤre. Foemina sexu, ingenio vir. Dem Geschlecht nach ein Weib, ein Mann an Geist. Also mit andern Worten, ein Mittelding von Mann und Weib. Man weiß laͤngst, daß diese Mischung keins von beiden Geschlechtern liebenswuͤrdig macht. Ein maͤnnliches Weib gefaͤllt eben so wenig als ein weibischer Mann. Von einem Frauenzimmer sagen, von Geist ein Mann, ist eben so viel als einer Blume nachruͤh- men: an Geruch eine Eiche.
Jn der Bergstraße.
Zum ersten Mal bin ich durch diesen Garten von Deutschland gefahren, in dem gleichsam die Vergan- genheit auf den Huͤgeln weilt und der schoͤnen Gegenwart zusieht, wie sie ihr fruchtbares Wesen treibt. Wie sich doch Alles in der Welt aͤndert! Die Raubschloͤsser, die vor-
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Die fremde und einheimische schoͤne Meßwelt hat hier
einen weit angenehmern point de réunion, als in Leip-
zig, nehmlich keine offene, jeder Witterung ausgesetzte
Straße, wie in Auerbachs Hof, sondern ein sehr geraͤu-
miges Gebaͤude, in welchem alle Waaren des Luxus ein
großes Viereck fuͤllen, dessen bunter Schmuck fast zu jeder
Tageszeit durch eine noch buntere Menge belebt wird.
Darmstadt.
Das Monument, welches Friedrich der Große hier
seiner Freundin errichtet hat, entspricht der Erwartung
nicht. Es ist einfach niedlich: vom Koͤnig haͤtte ich
etwas einfach Großes zu sehen gewuͤnscht. Ohne die
beruͤhmte Jnschrift wuͤrde man wohl nie von diesem Denk-
maͤhlchen geredet haben. Und selbst diese Jnschrift — es
moͤchte Leute geben, in deren Augen sie kein Kompliment
fuͤr die Landgraͤfin waͤre. Foemina sexu, ingenio vir.
Dem Geschlecht nach ein Weib, ein Mann an
Geist. Also mit andern Worten, ein Mittelding von
Mann und Weib. Man weiß laͤngst, daß diese Mischung
keins von beiden Geschlechtern liebenswuͤrdig macht. Ein
maͤnnliches Weib gefaͤllt eben so wenig als ein weibischer
Mann. Von einem Frauenzimmer sagen, von Geist
ein Mann, ist eben so viel als einer Blume nachruͤh-
men: an Geruch eine Eiche.
Jn der Bergstraße.
Zum ersten Mal bin ich durch diesen Garten von
Deutschland gefahren, in dem gleichsam die Vergan-
genheit auf den Huͤgeln weilt und der schoͤnen Gegenwart
zusieht, wie sie ihr fruchtbares Wesen treibt. Wie sich
doch Alles in der Welt aͤndert! Die Raubschloͤsser, die vor-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/15>, abgerufen am 08.07.2024.
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