venetianischen Maler seiner Zeit dargestellt hat, er selbst spielt das Violoncell. Sehr drollig sind die Verstöße gegen die Chronologie. Die Musikanten geigen nach Noten, Carl der V. prangt mit dem Orden des goldenen Vließes u. s. w. Dies Gemälde schmück- te vormals den Speisesaal von St. Georg zu Venedig, und der Maler hat weniger dafür empfangen, als heut- zutage ein einzelnes gutes Portrait oft kostet, nemlich nicht mehr als neunzig Dukaten. -- Großes Ver- gnügen gewährt ein Bild von Rubens, auf welchem er sich selbst und seine liebsten und berühmtesten Freun- de dargestellt hat. Hier ist Hugo Grotius, der biedere Weltweise, mit dem Hunde, welchen er liebte. Neben ihm Justus Lipsius, der berühmte Profes- sor zu Löwen; die Büste Seneca's hinter ihm deutet vielleicht auf seine Schriften über den Stoicismus, so wie die Tulpen anzeigen sollen, daß er in seinen Er- holungsstunden diese damals neue Blumen eifrig kul- tivirte. Der große Maler selbst und sein Bruder vollenden die interessante Gruppe. -- Aber nicht weit davon hängt ein zurückstoßendes Gemälde, von Sebastiano del Plombo. Die heilige Agathe nemlich, die ganz hübsch gewesen seyn mag, hat die Liebe eines Gouverneurs von Sicilien verschmäht, und zur Strafe werden ihr die Wärzchen vom schönen Busen mit Zangen herunterge- kniffen. Wie kann die höchste Kunst an solchen Ge- genständen Vergnügen gewähren?
Jch trete in die eigentliche Gallerie. Sie ist nicht we- niger als vierhundert Schritt lang, und sollte näch- stens noch um ein Paar hundert verlängert werden; denn der Bretterverschlag am Ende der Gallerie birgt noch eine weite Strecke, und ist über und über mit Gemälden an-
venetianischen Maler seiner Zeit dargestellt hat, er selbst spielt das Violoncell. Sehr drollig sind die Verstoͤße gegen die Chronologie. Die Musikanten geigen nach Noten, Carl der V. prangt mit dem Orden des goldenen Vließes u. s. w. Dies Gemaͤlde schmuͤck- te vormals den Speisesaal von St. Georg zu Venedig, und der Maler hat weniger dafuͤr empfangen, als heut- zutage ein einzelnes gutes Portrait oft kostet, nemlich nicht mehr als neunzig Dukaten. — Großes Ver- gnuͤgen gewaͤhrt ein Bild von Rubens, auf welchem er sich selbst und seine liebsten und beruͤhmtesten Freun- de dargestellt hat. Hier ist Hugo Grotius, der biedere Weltweise, mit dem Hunde, welchen er liebte. Neben ihm Justus Lipsius, der beruͤhmte Profes- sor zu Loͤwen; die Buͤste Seneca's hinter ihm deutet vielleicht auf seine Schriften uͤber den Stoicismus, so wie die Tulpen anzeigen sollen, daß er in seinen Er- holungsstunden diese damals neue Blumen eifrig kul- tivirte. Der große Maler selbst und sein Bruder vollenden die interessante Gruppe. — Aber nicht weit davon haͤngt ein zuruͤckstoßendes Gemaͤlde, von Sebastiano del Plombo. Die heilige Agathe nemlich, die ganz huͤbsch gewesen seyn mag, hat die Liebe eines Gouverneurs von Sicilien verschmaͤht, und zur Strafe werden ihr die Waͤrzchen vom schoͤnen Busen mit Zangen herunterge- kniffen. Wie kann die hoͤchste Kunst an solchen Ge- genstaͤnden Vergnuͤgen gewaͤhren?
Jch trete in die eigentliche Gallerie. Sie ist nicht we- niger als vierhundert Schritt lang, und sollte naͤch- stens noch um ein Paar hundert verlaͤngert werden; denn der Bretterverschlag am Ende der Gallerie birgt noch eine weite Strecke, und ist uͤber und uͤber mit Gemaͤlden an-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0146"n="142"/>
venetianischen Maler seiner Zeit dargestellt hat, er selbst<lb/>
spielt das Violoncell. Sehr drollig sind die Verstoͤße<lb/>
gegen die Chronologie. Die Musikanten geigen nach<lb/><hirendition="#g">Noten,</hi> Carl der V. prangt mit dem <hirendition="#g">Orden des<lb/>
goldenen Vließes</hi> u. s. w. Dies Gemaͤlde schmuͤck-<lb/>
te vormals den Speisesaal von St. Georg zu Venedig,<lb/>
und der Maler hat weniger dafuͤr empfangen, als heut-<lb/>
zutage ein einzelnes gutes Portrait oft kostet, nemlich<lb/>
nicht mehr als <hirendition="#g">neunzig</hi> Dukaten. — Großes Ver-<lb/>
gnuͤgen gewaͤhrt ein Bild von <hirendition="#g">Rubens,</hi> auf welchem<lb/>
er sich selbst und seine liebsten und beruͤhmtesten Freun-<lb/>
de dargestellt hat. Hier ist <hirendition="#g">Hugo Grotius,</hi> der<lb/>
biedere Weltweise, mit dem Hunde, welchen er liebte.<lb/>
Neben ihm <hirendition="#g">Justus Lipsius,</hi> der beruͤhmte Profes-<lb/>
sor zu <hirendition="#g">Loͤwen;</hi> die Buͤste Seneca's hinter ihm deutet<lb/>
vielleicht auf seine Schriften uͤber den Stoicismus, so<lb/>
wie die <hirendition="#g">Tulpen</hi> anzeigen sollen, daß er in seinen Er-<lb/>
holungsstunden diese damals <hirendition="#g">neue</hi> Blumen eifrig kul-<lb/>
tivirte. Der große Maler selbst und sein Bruder vollenden<lb/>
die interessante Gruppe. — Aber nicht weit davon haͤngt<lb/>
ein zuruͤckstoßendes Gemaͤlde, von <hirendition="#g">Sebastiano del<lb/>
Plombo.</hi> Die heilige Agathe nemlich, die ganz huͤbsch<lb/>
gewesen seyn mag, hat die Liebe eines Gouverneurs von<lb/>
Sicilien verschmaͤht, und zur Strafe werden ihr die<lb/>
Waͤrzchen vom schoͤnen Busen mit Zangen herunterge-<lb/>
kniffen. Wie kann die <hirendition="#g">hoͤchste</hi> Kunst an solchen Ge-<lb/>
genstaͤnden Vergnuͤgen gewaͤhren?</p><lb/><p>Jch trete in die eigentliche Gallerie. Sie ist nicht we-<lb/>
niger als <hirendition="#g">vierhundert Schritt</hi> lang, und sollte naͤch-<lb/>
stens noch um ein Paar hundert verlaͤngert werden; denn<lb/>
der Bretterverschlag am Ende der Gallerie birgt noch eine<lb/>
weite Strecke, und ist uͤber und uͤber mit Gemaͤlden an-<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[142/0146]
venetianischen Maler seiner Zeit dargestellt hat, er selbst
spielt das Violoncell. Sehr drollig sind die Verstoͤße
gegen die Chronologie. Die Musikanten geigen nach
Noten, Carl der V. prangt mit dem Orden des
goldenen Vließes u. s. w. Dies Gemaͤlde schmuͤck-
te vormals den Speisesaal von St. Georg zu Venedig,
und der Maler hat weniger dafuͤr empfangen, als heut-
zutage ein einzelnes gutes Portrait oft kostet, nemlich
nicht mehr als neunzig Dukaten. — Großes Ver-
gnuͤgen gewaͤhrt ein Bild von Rubens, auf welchem
er sich selbst und seine liebsten und beruͤhmtesten Freun-
de dargestellt hat. Hier ist Hugo Grotius, der
biedere Weltweise, mit dem Hunde, welchen er liebte.
Neben ihm Justus Lipsius, der beruͤhmte Profes-
sor zu Loͤwen; die Buͤste Seneca's hinter ihm deutet
vielleicht auf seine Schriften uͤber den Stoicismus, so
wie die Tulpen anzeigen sollen, daß er in seinen Er-
holungsstunden diese damals neue Blumen eifrig kul-
tivirte. Der große Maler selbst und sein Bruder vollenden
die interessante Gruppe. — Aber nicht weit davon haͤngt
ein zuruͤckstoßendes Gemaͤlde, von Sebastiano del
Plombo. Die heilige Agathe nemlich, die ganz huͤbsch
gewesen seyn mag, hat die Liebe eines Gouverneurs von
Sicilien verschmaͤht, und zur Strafe werden ihr die
Waͤrzchen vom schoͤnen Busen mit Zangen herunterge-
kniffen. Wie kann die hoͤchste Kunst an solchen Ge-
genstaͤnden Vergnuͤgen gewaͤhren?
Jch trete in die eigentliche Gallerie. Sie ist nicht we-
niger als vierhundert Schritt lang, und sollte naͤch-
stens noch um ein Paar hundert verlaͤngert werden; denn
der Bretterverschlag am Ende der Gallerie birgt noch eine
weite Strecke, und ist uͤber und uͤber mit Gemaͤlden an-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/146>, abgerufen am 08.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.