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Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.

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Karls des Großen? Auf dem Römer sind ringsumher alle
Kaiser, die seit Anbeginn des heil. Römischen Reichs ge-
krönt worden, in schmalen Nischen abkonterfeit; aber so
schmal auch die Nischen sind (denn wirklich hat hier kein
gemalter Kaiser so viel Platz, als eine Schildwache in ih-
rem Häuslein), so ist dennoch für einen künftigen Cäsar
kein Plätzchen mehr übrig: welcher Umstand dem Groß-
prahler Cüstine, als er hier war, die Prophezeihung
inspirirt haben soll, der jetzige Kaiser werde der letzte seyn.
Ei nun! die Franzosen haben ja den lieben Gott wieder
in seine Rechte eingesetzt, so werden sie ja auch wohl in An-
sehung des Deutschen Kaisers sich eines Bessern besinnen.

Die Domkirche enthält einige hübsche Gemälde, vor-
zügliche
aber nicht; denn wenn sie das wären, so hät-
ten die kunstliebenden Franzosen sie -- mitgehn heißen.
Ein alter, derber, Deutscher Ritter in Stein gehauen,
Günther von Schwarzburg, hat mir am besten gefallen.
Man kann in der That die Deutsche Kraft nicht anschau-
licher ausdrücken. -- Vom Frankfurter Theater lassen Sie
mich schweigen. Jch habe einen sehr wackern Schauspieler
gesehen, er heißt Werdy, und eine Madame Müller,
von der es wohl mit Recht heißt: es giebt der Madame
Müllers viele, sehr viele in der Welt. Jhr größter Feh-
ler war Gemeinheit. Man hat seit Kurzem neue Hoff-
nungen für die hiesige Bühne erregt, indem man einen
verdienstvollen Mann (Herrn von Meyer, Verfasser eines
bekannten Gedichts Tobias) zum Jntendanten derselben
ernannt hat; aber -- er darf, ohne Zuziehung des Com-
mitte, weder gute Schauspieler annehmen, noch schlechte
verabschieden, und folglich laborirt die neue Organisation
abermals an einem Grundübel. --

Karls des Großen? Auf dem Roͤmer sind ringsumher alle
Kaiser, die seit Anbeginn des heil. Roͤmischen Reichs ge-
kroͤnt worden, in schmalen Nischen abkonterfeit; aber so
schmal auch die Nischen sind (denn wirklich hat hier kein
gemalter Kaiser so viel Platz, als eine Schildwache in ih-
rem Haͤuslein), so ist dennoch fuͤr einen kuͤnftigen Caͤsar
kein Plaͤtzchen mehr uͤbrig: welcher Umstand dem Groß-
prahler Cuͤstine, als er hier war, die Prophezeihung
inspirirt haben soll, der jetzige Kaiser werde der letzte seyn.
Ei nun! die Franzosen haben ja den lieben Gott wieder
in seine Rechte eingesetzt, so werden sie ja auch wohl in An-
sehung des Deutschen Kaisers sich eines Bessern besinnen.

Die Domkirche enthaͤlt einige huͤbsche Gemaͤlde, vor-
zuͤgliche
aber nicht; denn wenn sie das waͤren, so haͤt-
ten die kunstliebenden Franzosen sie — mitgehn heißen.
Ein alter, derber, Deutscher Ritter in Stein gehauen,
Guͤnther von Schwarzburg, hat mir am besten gefallen.
Man kann in der That die Deutsche Kraft nicht anschau-
licher ausdruͤcken. — Vom Frankfurter Theater lassen Sie
mich schweigen. Jch habe einen sehr wackern Schauspieler
gesehen, er heißt Werdy, und eine Madame Muͤller,
von der es wohl mit Recht heißt: es giebt der Madame
Muͤllers viele, sehr viele in der Welt. Jhr groͤßter Feh-
ler war Gemeinheit. Man hat seit Kurzem neue Hoff-
nungen fuͤr die hiesige Buͤhne erregt, indem man einen
verdienstvollen Mann (Herrn von Meyer, Verfasser eines
bekannten Gedichts Tobias) zum Jntendanten derselben
ernannt hat; aber — er darf, ohne Zuziehung des Com-
mitte, weder gute Schauspieler annehmen, noch schlechte
verabschieden, und folglich laborirt die neue Organisation
abermals an einem Grunduͤbel. —

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[10/0014] Karls des Großen? Auf dem Roͤmer sind ringsumher alle Kaiser, die seit Anbeginn des heil. Roͤmischen Reichs ge- kroͤnt worden, in schmalen Nischen abkonterfeit; aber so schmal auch die Nischen sind (denn wirklich hat hier kein gemalter Kaiser so viel Platz, als eine Schildwache in ih- rem Haͤuslein), so ist dennoch fuͤr einen kuͤnftigen Caͤsar kein Plaͤtzchen mehr uͤbrig: welcher Umstand dem Groß- prahler Cuͤstine, als er hier war, die Prophezeihung inspirirt haben soll, der jetzige Kaiser werde der letzte seyn. Ei nun! die Franzosen haben ja den lieben Gott wieder in seine Rechte eingesetzt, so werden sie ja auch wohl in An- sehung des Deutschen Kaisers sich eines Bessern besinnen. Die Domkirche enthaͤlt einige huͤbsche Gemaͤlde, vor- zuͤgliche aber nicht; denn wenn sie das waͤren, so haͤt- ten die kunstliebenden Franzosen sie — mitgehn heißen. Ein alter, derber, Deutscher Ritter in Stein gehauen, Guͤnther von Schwarzburg, hat mir am besten gefallen. Man kann in der That die Deutsche Kraft nicht anschau- licher ausdruͤcken. — Vom Frankfurter Theater lassen Sie mich schweigen. Jch habe einen sehr wackern Schauspieler gesehen, er heißt Werdy, und eine Madame Muͤller, von der es wohl mit Recht heißt: es giebt der Madame Muͤllers viele, sehr viele in der Welt. Jhr groͤßter Feh- ler war Gemeinheit. Man hat seit Kurzem neue Hoff- nungen fuͤr die hiesige Buͤhne erregt, indem man einen verdienstvollen Mann (Herrn von Meyer, Verfasser eines bekannten Gedichts Tobias) zum Jntendanten derselben ernannt hat; aber — er darf, ohne Zuziehung des Com- mitte, weder gute Schauspieler annehmen, noch schlechte verabschieden, und folglich laborirt die neue Organisation abermals an einem Grunduͤbel. —

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/14>, abgerufen am 23.11.2024.