fesselte. Gekleidet im Costum ihrer Zeit, ruht sie auf weiche Kissen hingegossen, die runden Wangen in die fleischichte Hand stützend; ein Buch liegt vor ihr, in dem sie nur flüchtig zu lesen scheint, weil ein niedlicher Schooshund sie neckend daran hindert. Welch ein ru- higes Bild des stillgenießenden Lebens, das nicht ahnt, wie nahe der tückisch beschleichende Tod ihm sey, und doch dürfen wir nur herunterblicken auf das Basrelief ih- res Ruhebettes, da liegt diese nemliche Frau als Leiche, starr ausgestreckt, die weichen runden Formen verschwun- den, das helle Auge versunken, das kunstreiche Gewand mit dem einfachen Leichentuche vertauscht. Diese Zu- sammensetzung von Leben und Tod macht einen tiefen Eindruck auf den Anschauer, und das ganze scheint we- niger ein Denkmal, als eine Satire auf das mensch- liche Leben zu seyn.
Wessen ist diese Bildsäule, um die ich so oft einen Haufen älterer Franzosen mit gerührtem Ernst ver- sammelt sehe? -- Es ist der gute Heinrich JV., den die Republikaner nie vergessen werden. Aehnlicher als die- se Statue findet man keine Darstellung von ihm; dies bezeugt Lenoir, der zu St. Denis gegenwärtig war, als man Heinrichs Sarg öffnete, und ihn unversehrt da lie- gend fand. --
Der Kunst zu Ehren, aber, trotz der pomphaften Jnschrift, sich selbst zum Schimpf, knieet hier der Mar- schall von Frankreich, Albert Gondi, der Carl JV. flu- chen und morden lehrte. -- Geschwind vorüber! zu je- ner weiblichen Gestalt: Claude Catharina von Clermont Tonnerre, Beschützerin und selbst Vertraute der schönen Wissenschaften. Sie war es, die, als die polnischen Gesandten dem Sohne Catharinens von Medicis das
fesselte. Gekleidet im Costum ihrer Zeit, ruht sie auf weiche Kissen hingegossen, die runden Wangen in die fleischichte Hand stuͤtzend; ein Buch liegt vor ihr, in dem sie nur fluͤchtig zu lesen scheint, weil ein niedlicher Schooshund sie neckend daran hindert. Welch ein ru- higes Bild des stillgenießenden Lebens, das nicht ahnt, wie nahe der tuͤckisch beschleichende Tod ihm sey, und doch duͤrfen wir nur herunterblicken auf das Basrelief ih- res Ruhebettes, da liegt diese nemliche Frau als Leiche, starr ausgestreckt, die weichen runden Formen verschwun- den, das helle Auge versunken, das kunstreiche Gewand mit dem einfachen Leichentuche vertauscht. Diese Zu- sammensetzung von Leben und Tod macht einen tiefen Eindruck auf den Anschauer, und das ganze scheint we- niger ein Denkmal, als eine Satire auf das mensch- liche Leben zu seyn.
Wessen ist diese Bildsaͤule, um die ich so oft einen Haufen aͤlterer Franzosen mit geruͤhrtem Ernst ver- sammelt sehe? — Es ist der gute Heinrich JV., den die Republikaner nie vergessen werden. Aehnlicher als die- se Statue findet man keine Darstellung von ihm; dies bezeugt Lenoir, der zu St. Denis gegenwaͤrtig war, als man Heinrichs Sarg oͤffnete, und ihn unversehrt da lie- gend fand. —
Der Kunst zu Ehren, aber, trotz der pomphaften Jnschrift, sich selbst zum Schimpf, knieet hier der Mar- schall von Frankreich, Albert Gondi, der Carl JV. flu- chen und morden lehrte. — Geschwind voruͤber! zu je- ner weiblichen Gestalt: Claude Catharina von Clermont Tonnerre, Beschuͤtzerin und selbst Vertraute der schoͤnen Wissenschaften. Sie war es, die, als die polnischen Gesandten dem Sohne Catharinens von Medicis das
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fesselte. Gekleidet im Costum ihrer Zeit, ruht sie auf
weiche Kissen hingegossen, die runden Wangen in die
fleischichte Hand stuͤtzend; ein Buch liegt vor ihr, in
dem sie nur fluͤchtig zu lesen scheint, weil ein niedlicher
Schooshund sie neckend daran hindert. Welch ein ru-
higes Bild des stillgenießenden Lebens, das nicht ahnt,
wie nahe der tuͤckisch beschleichende Tod ihm sey, und
doch duͤrfen wir nur herunterblicken auf das Basrelief ih-
res Ruhebettes, da liegt diese nemliche Frau als Leiche,
starr ausgestreckt, die weichen runden Formen verschwun-
den, das helle Auge versunken, das kunstreiche Gewand
mit dem einfachen Leichentuche vertauscht. Diese Zu-
sammensetzung von Leben und Tod macht einen tiefen
Eindruck auf den Anschauer, und das ganze scheint we-
niger ein Denkmal, als eine Satire auf das mensch-
liche Leben zu seyn.
Wessen ist diese Bildsaͤule, um die ich so oft einen
Haufen aͤlterer Franzosen mit geruͤhrtem Ernst ver-
sammelt sehe? — Es ist der gute Heinrich JV., den die
Republikaner nie vergessen werden. Aehnlicher als die-
se Statue findet man keine Darstellung von ihm; dies
bezeugt Lenoir, der zu St. Denis gegenwaͤrtig war, als
man Heinrichs Sarg oͤffnete, und ihn unversehrt da lie-
gend fand. —
Der Kunst zu Ehren, aber, trotz der pomphaften
Jnschrift, sich selbst zum Schimpf, knieet hier der Mar-
schall von Frankreich, Albert Gondi, der Carl JV. flu-
chen und morden lehrte. — Geschwind voruͤber! zu je-
ner weiblichen Gestalt: Claude Catharina von Clermont
Tonnerre, Beschuͤtzerin und selbst Vertraute der schoͤnen
Wissenschaften. Sie war es, die, als die polnischen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/134>, abgerufen am 08.07.2024.
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