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Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.

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Devise war eine sich neigende Gießkanne, aus welcher
Tropfen gleich Thränen fielen, mit der Umschrift:

Rien ne m'est plus;
Plus ne m'est rien.

Jene Statue Peters von Navarra erinnert an den
sonderbaren Tod seines Vaters Carl JJ. Königs von
Navarra, der Böse zubenamt. Die rächende Neme-
sis stellte an ihm ein fürchterliches Beispiel auf. Eine
Art von Starrsucht überfiel ihn, er konnte keines sei-
ner Glieder bewegen. Da riethen ihm die Aerzte sich
vom Kopf bis zu den Füßen in ein Lailach fest einnä-
hen zu lassen, welches Tuch vorher in Brandwein ge-
weicht seyn müsse. Es war Abends beim Schlafenge-
hen, als man ihm diese Art von Sack anzog. Eine
der Kammerfrauen des Schlosses nähte ihm denselben
unter dem Kinn fest und als sie fertig war, wollte sie
das übrig bleibende Ende des Fadens abschneiden; da
sie aber grade keine Scheere bei der Hand hatte, ergriff sie
das Licht, den Faden abzubrennen. Augenblicklich stand
der ganze König in Flammen, die erschrockene Kam-
merfrau lief schreiend davon und Carl der Böse
verbrannte lebendig in seinem Bette.

Diese Marmor - Bildsäule vergegenwärtigt die
Züge Carls von Orleans, der schon als Urgroßvater
Franz des Ersten, und mehr noch als liebenswür-
diger Dichter, Jnteresse einflößt. Ein Manuscript,
welches in der National - Bibliothek aufbewahrt wird,
enthält die Früchte seines Genies, von welchen ich hier
eine kurze Probe mittheile.

Ballade.
Jeune, gente, plaisante et debonnaire!
Par un prier qui vaut commandement,

Devise war eine sich neigende Gießkanne, aus welcher
Tropfen gleich Thraͤnen fielen, mit der Umschrift:

Rien ne m'est plus;
Plus ne m'est rien.

Jene Statue Peters von Navarra erinnert an den
sonderbaren Tod seines Vaters Carl JJ. Koͤnigs von
Navarra, der Boͤse zubenamt. Die raͤchende Neme-
sis stellte an ihm ein fuͤrchterliches Beispiel auf. Eine
Art von Starrsucht uͤberfiel ihn, er konnte keines sei-
ner Glieder bewegen. Da riethen ihm die Aerzte sich
vom Kopf bis zu den Fuͤßen in ein Lailach fest einnaͤ-
hen zu lassen, welches Tuch vorher in Brandwein ge-
weicht seyn muͤsse. Es war Abends beim Schlafenge-
hen, als man ihm diese Art von Sack anzog. Eine
der Kammerfrauen des Schlosses naͤhte ihm denselben
unter dem Kinn fest und als sie fertig war, wollte sie
das uͤbrig bleibende Ende des Fadens abschneiden; da
sie aber grade keine Scheere bei der Hand hatte, ergriff sie
das Licht, den Faden abzubrennen. Augenblicklich stand
der ganze Koͤnig in Flammen, die erschrockene Kam-
merfrau lief schreiend davon und Carl der Boͤse
verbrannte lebendig in seinem Bette.

Diese Marmor - Bildsaͤule vergegenwaͤrtigt die
Zuͤge Carls von Orleans, der schon als Urgroßvater
Franz des Ersten, und mehr noch als liebenswuͤr-
diger Dichter, Jnteresse einfloͤßt. Ein Manuscript,
welches in der National - Bibliothek aufbewahrt wird,
enthaͤlt die Fruͤchte seines Genies, von welchen ich hier
eine kurze Probe mittheile.

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Jeune, gente, plaisante et débonnaire!
Par un prier qui vaut commandement,
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[126/0130] Devise war eine sich neigende Gießkanne, aus welcher Tropfen gleich Thraͤnen fielen, mit der Umschrift: Rien ne m'est plus; Plus ne m'est rien. Jene Statue Peters von Navarra erinnert an den sonderbaren Tod seines Vaters Carl JJ. Koͤnigs von Navarra, der Boͤse zubenamt. Die raͤchende Neme- sis stellte an ihm ein fuͤrchterliches Beispiel auf. Eine Art von Starrsucht uͤberfiel ihn, er konnte keines sei- ner Glieder bewegen. Da riethen ihm die Aerzte sich vom Kopf bis zu den Fuͤßen in ein Lailach fest einnaͤ- hen zu lassen, welches Tuch vorher in Brandwein ge- weicht seyn muͤsse. Es war Abends beim Schlafenge- hen, als man ihm diese Art von Sack anzog. Eine der Kammerfrauen des Schlosses naͤhte ihm denselben unter dem Kinn fest und als sie fertig war, wollte sie das uͤbrig bleibende Ende des Fadens abschneiden; da sie aber grade keine Scheere bei der Hand hatte, ergriff sie das Licht, den Faden abzubrennen. Augenblicklich stand der ganze Koͤnig in Flammen, die erschrockene Kam- merfrau lief schreiend davon und Carl der Boͤse verbrannte lebendig in seinem Bette. Diese Marmor - Bildsaͤule vergegenwaͤrtigt die Zuͤge Carls von Orleans, der schon als Urgroßvater Franz des Ersten, und mehr noch als liebenswuͤr- diger Dichter, Jnteresse einfloͤßt. Ein Manuscript, welches in der National - Bibliothek aufbewahrt wird, enthaͤlt die Fruͤchte seines Genies, von welchen ich hier eine kurze Probe mittheile. Ballade. Jeune, gente, plaisante et débonnaire! Par un prier qui vaut commandement,

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/130>, abgerufen am 23.11.2024.