Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.petit gegeben hat, so werfen wir uns schnell in einen Fia- Ueber Madame Recamier. Auf einer zarten bescheidenen Blume eine Raupenbrut zu Jch nannte Madame Recamier eben gut und lie- petit gegeben hat, so werfen wir uns schnell in einen Fia- Ueber Madame Recamier. Auf einer zarten bescheidenen Blume eine Raupenbrut zu Jch nannte Madame Recamier eben gut und lie- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0113" n="109"/> petit gegeben hat, so werfen wir uns schnell in einen Fia-<lb/> cre, und fahren zum Restaurateur.</p><lb/> <div n="3"> <head>Ueber Madame Recamier.</head><lb/> <p>Auf einer zarten bescheidenen Blume eine Raupenbrut zu<lb/> finden, ist verdruͤßlich; — etwa durch Rauch das Unge-<lb/> ziefer toͤdten, ist ein kraͤftiges Mittel, doch schadet's auch<lb/> bisweilen der Blume selbst. So ist es mit dem Rufe ei-<lb/> nes Frauenzimmers, dieser zartesten aller Blumen. Leicht<lb/> moͤchte <hi rendition="#g">die</hi> Schoͤne gluͤcklicher seyn, von der man <hi rendition="#g">gar<lb/> nicht</hi> redet, als die von der man <hi rendition="#g">zu viel</hi> spricht; und<lb/> oft moͤgte selbst die redlichste Bemuͤhung, ihren Ruf zu ver-<lb/> theidigen, die Verlaͤumdung nur weiter verbreiten. Aus<lb/> diesen Gruͤnden habe ich bei mir angestanden, ob ich die<lb/> Klatschereien, die mehrere deutsche Journalisten sich gegen<lb/> die gute und liebenswuͤrdige Madame Recamier erlaubt ha-<lb/> ben, ruͤgen und widerlegen solle? Und wenn ich — bei der<lb/> Ueberzeugung, daß der Neid imme lieber ein haͤßliches<lb/> Maͤhrchen, als eine schoͤne Wahrheit glaubt, — es den-<lb/> noch unternehme, so ist es mehr mein empoͤrtes Gefuͤhl,<lb/> welches mich dazu antreibt, als die Hoffnung, Verlaͤum-<lb/> der zu belehren, die nicht belehrt seyn <hi rendition="#g">wollen.</hi></p><lb/> <p>Jch nannte Madame Recamier eben <hi rendition="#g">gut</hi> und <hi rendition="#g">lie-<lb/> benswuͤrdig;</hi> die meisten Leser werden wohl zuerst er-<lb/> wartet haben, daß ich sie <hi rendition="#g">schoͤn</hi> nennen wuͤrde? Nun ja,<lb/> sie ist schoͤn, sehr schoͤn, und wer sie nur wenig sah, wird<lb/> wohl zuerst <hi rendition="#g">davon</hi> reden; aber so wie die Haͤßlichkeit vor<lb/> der Liebenswuͤrdigkeit bald verschwindet, so auch die Schoͤn<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [109/0113]
petit gegeben hat, so werfen wir uns schnell in einen Fia-
cre, und fahren zum Restaurateur.
Ueber Madame Recamier.
Auf einer zarten bescheidenen Blume eine Raupenbrut zu
finden, ist verdruͤßlich; — etwa durch Rauch das Unge-
ziefer toͤdten, ist ein kraͤftiges Mittel, doch schadet's auch
bisweilen der Blume selbst. So ist es mit dem Rufe ei-
nes Frauenzimmers, dieser zartesten aller Blumen. Leicht
moͤchte die Schoͤne gluͤcklicher seyn, von der man gar
nicht redet, als die von der man zu viel spricht; und
oft moͤgte selbst die redlichste Bemuͤhung, ihren Ruf zu ver-
theidigen, die Verlaͤumdung nur weiter verbreiten. Aus
diesen Gruͤnden habe ich bei mir angestanden, ob ich die
Klatschereien, die mehrere deutsche Journalisten sich gegen
die gute und liebenswuͤrdige Madame Recamier erlaubt ha-
ben, ruͤgen und widerlegen solle? Und wenn ich — bei der
Ueberzeugung, daß der Neid imme lieber ein haͤßliches
Maͤhrchen, als eine schoͤne Wahrheit glaubt, — es den-
noch unternehme, so ist es mehr mein empoͤrtes Gefuͤhl,
welches mich dazu antreibt, als die Hoffnung, Verlaͤum-
der zu belehren, die nicht belehrt seyn wollen.
Jch nannte Madame Recamier eben gut und lie-
benswuͤrdig; die meisten Leser werden wohl zuerst er-
wartet haben, daß ich sie schoͤn nennen wuͤrde? Nun ja,
sie ist schoͤn, sehr schoͤn, und wer sie nur wenig sah, wird
wohl zuerst davon reden; aber so wie die Haͤßlichkeit vor
der Liebenswuͤrdigkeit bald verschwindet, so auch die Schoͤn
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