behält das Oel im Munde, spühlt sich den Mund recht lange damit aus, wie wir mit frischem Wasser, spuckt es noch immer kochend wieder aus, und wäscht sich nun mit dem Ueberrest des Oels im Topfe die Hände, Arme, das Gesicht und sogar die Augen (die er jedoch zuhält). Nach- dem er so, wie Asbest, durch das Feuer gereinigt worden, macht er zur Veränderung einen Spaziergang mit bloßen Füßen auf glühenden Eisen, und endlich, zur Erquickung, leckt er sogar dieses glühende Eisen mit der Zunge. Wenn dieser arme Jüngling eben so gefühllos gegen die Flammen der Liebe bleibt, so ist er doppelt zu bedauern. Betrug ist übrigens nicht dabei; Alles, was ich eben erzählt ha- be, geschieht wirklich. Ob er sich aber, wie man behaup- tet, eine Art von Salamandersalbe in die Haut reibt, welche nicht zu bemerken ist, das lass ich unentschieden. -- Um jene widrigen Eindrücke zu verlöschen, lassen Sie uns einige Minuten vor diese kleine Festung treten, von welcher Sie mehrere Exemplare auf dem Boulevard zer- streut finden. Es ist eine neue Gattung von Kegelspiel, dem, wie Sie sehen, nicht blos Knaben, sondern mitun- ter auch wohl ehrsame Bürger Geschmack abgewonnen ha- ben, und in der That hat es darin einen großen Vorzug vor dem gewöhnlichen Kegelspiel, daß es weit weniger Platz einnimmt und sich von einem Orte zum andern trans- portiren läßt. Die keine Festung erreicht ungefähr Mannshöhe, und ist amphitheatralisch erbaut. Unten hat sie eine Zugbrücke, darüber sind Wälle stufenweis aufge- führt, und auf diesen Wällen stehen hie und da eine Men- ge Soldaten. Acht bis zehn Schritte vor der Festung ist ein hölzerner Mörser (oder auch eine Kanone) aufgepflanzt, aus welchem auf die bei Kinderflinten gewöhnliche Weise eine Kugel im Bogen (oder bei der Kanone gerade) ge-
behaͤlt das Oel im Munde, spuͤhlt sich den Mund recht lange damit aus, wie wir mit frischem Wasser, spuckt es noch immer kochend wieder aus, und waͤscht sich nun mit dem Ueberrest des Oels im Topfe die Haͤnde, Arme, das Gesicht und sogar die Augen (die er jedoch zuhaͤlt). Nach- dem er so, wie Asbest, durch das Feuer gereinigt worden, macht er zur Veraͤnderung einen Spaziergang mit bloßen Fuͤßen auf gluͤhenden Eisen, und endlich, zur Erquickung, leckt er sogar dieses gluͤhende Eisen mit der Zunge. Wenn dieser arme Juͤngling eben so gefuͤhllos gegen die Flammen der Liebe bleibt, so ist er doppelt zu bedauern. Betrug ist uͤbrigens nicht dabei; Alles, was ich eben erzaͤhlt ha- be, geschieht wirklich. Ob er sich aber, wie man behaup- tet, eine Art von Salamandersalbe in die Haut reibt, welche nicht zu bemerken ist, das lass ich unentschieden. — Um jene widrigen Eindruͤcke zu verloͤschen, lassen Sie uns einige Minuten vor diese kleine Festung treten, von welcher Sie mehrere Exemplare auf dem Boulevard zer- streut finden. Es ist eine neue Gattung von Kegelspiel, dem, wie Sie sehen, nicht blos Knaben, sondern mitun- ter auch wohl ehrsame Buͤrger Geschmack abgewonnen ha- ben, und in der That hat es darin einen großen Vorzug vor dem gewoͤhnlichen Kegelspiel, daß es weit weniger Platz einnimmt und sich von einem Orte zum andern trans- portiren laͤßt. Die keine Festung erreicht ungefaͤhr Mannshoͤhe, und ist amphitheatralisch erbaut. Unten hat sie eine Zugbruͤcke, daruͤber sind Waͤlle stufenweis aufge- fuͤhrt, und auf diesen Waͤllen stehen hie und da eine Men- ge Soldaten. Acht bis zehn Schritte vor der Festung ist ein hoͤlzerner Moͤrser (oder auch eine Kanone) aufgepflanzt, aus welchem auf die bei Kinderflinten gewoͤhnliche Weise eine Kugel im Bogen (oder bei der Kanone gerade) ge-
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behaͤlt das Oel im Munde, spuͤhlt sich den Mund recht
lange damit aus, wie wir mit frischem Wasser, spuckt es
noch immer kochend wieder aus, und waͤscht sich nun mit
dem Ueberrest des Oels im Topfe die Haͤnde, Arme, das
Gesicht und sogar die Augen (die er jedoch zuhaͤlt). Nach-
dem er so, wie Asbest, durch das Feuer gereinigt worden,
macht er zur Veraͤnderung einen Spaziergang mit bloßen
Fuͤßen auf gluͤhenden Eisen, und endlich, zur Erquickung,
leckt er sogar dieses gluͤhende Eisen mit der Zunge. Wenn
dieser arme Juͤngling eben so gefuͤhllos gegen die Flammen
der Liebe bleibt, so ist er doppelt zu bedauern. Betrug
ist uͤbrigens nicht dabei; Alles, was ich eben erzaͤhlt ha-
be, geschieht wirklich. Ob er sich aber, wie man behaup-
tet, eine Art von Salamandersalbe in die Haut reibt,
welche nicht zu bemerken ist, das lass ich unentschieden. —
Um jene widrigen Eindruͤcke zu verloͤschen, lassen Sie uns
einige Minuten vor diese kleine Festung treten, von
welcher Sie mehrere Exemplare auf dem Boulevard zer-
streut finden. Es ist eine neue Gattung von Kegelspiel,
dem, wie Sie sehen, nicht blos Knaben, sondern mitun-
ter auch wohl ehrsame Buͤrger Geschmack abgewonnen ha-
ben, und in der That hat es darin einen großen Vorzug
vor dem gewoͤhnlichen Kegelspiel, daß es weit weniger
Platz einnimmt und sich von einem Orte zum andern trans-
portiren laͤßt. Die keine Festung erreicht ungefaͤhr
Mannshoͤhe, und ist amphitheatralisch erbaut. Unten hat
sie eine Zugbruͤcke, daruͤber sind Waͤlle stufenweis aufge-
fuͤhrt, und auf diesen Waͤllen stehen hie und da eine Men-
ge Soldaten. Acht bis zehn Schritte vor der Festung ist
ein hoͤlzerner Moͤrser (oder auch eine Kanone) aufgepflanzt,
aus welchem auf die bei Kinderflinten gewoͤhnliche Weise
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/108>, abgerufen am 08.07.2024.
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