Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 3. Leipzig, 1802.Ein Schalk vernahm die Rede, Trug arge List im Sinn. "Der Liebschaft will ich steuren, "Dieweil ich lebend bin." -- Dass Gott dich strafe du arger Schalk! Dass Gott dich verderbe zur Stunde! -- Er blies das Licht in der Leuchten aus. Der Königssohn ging zu Grunde. Ein Hofbursch trat zur Thür herein, Wohl vor die Tafelrunde. Es war ein Bürschchen hübsch und fein, Und flink von Sinn und Munde. "Gott grüss' euch, ihr Frauen und Fräulein, "Gott gesegn' euch Essen und Trinken. "Ich sah einen wackern Königssohn, "Ich sah ihn schwimmen und sinken." Die Frauen und Fräulein sie fuhren auf Von ihren scharlachenen Sesseln. Gar übel sich die schöne Königstochter gehub. Sie sass wie auf Disteln und Nesseln. "Ach Mutter, herzliebe Mutter, "Spatzieren mögt' ich gehn. "Vergönnt mir zu gehn in den grünen Wald "Wo die schönen Blümlein stehn." -- Ein Schalk vernahm die Rede, Trug arge List im Sinn. „Der Liebschaft will ich steuren, „Dieweil ich lebend bin.“ — Daſs Gott dich strafe du arger Schalk! Daſs Gott dich verderbe zur Stunde! — Er blies das Licht in der Leuchten aus. Der Königssohn ging zu Grunde. Ein Hofbursch trat zur Thür herein, Wohl vor die Tafelrunde. Es war ein Bürschchen hübsch und fein, Und flink von Sinn und Munde. „Gott grüſs' euch, ihr Frauen und Fräulein, „Gott gesegn' euch Essen und Trinken. „Ich sah einen wackern Königssohn, „Ich sah ihn schwimmen und sinken.“ Die Frauen und Fräulein sie fuhren auf Von ihren scharlachenen Sesseln. Gar übel sich die schöne Königstochter gehub. Sie saſs wie auf Disteln und Nesseln. „Ach Mutter, herzliebe Mutter, „Spatzieren mögt' ich gehn. „Vergönnt mir zu gehn in den grünen Wald „Wo die schönen Blümlein stehn.“ — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0091" n="71"/> <lg n="4"> <l>Ein Schalk vernahm die Rede,</l><lb/> <l>Trug arge List im Sinn.</l><lb/> <l>„Der Liebschaft will ich steuren,</l><lb/> <l>„Dieweil ich lebend bin.“ —</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Daſs Gott dich strafe du arger Schalk!</l><lb/> <l>Daſs Gott dich verderbe zur Stunde! —</l><lb/> <l>Er blies das Licht in der Leuchten aus.</l><lb/> <l>Der Königssohn ging zu Grunde.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Ein Hofbursch trat zur Thür herein,</l><lb/> <l>Wohl vor die Tafelrunde.</l><lb/> <l>Es war ein Bürschchen hübsch und fein,</l><lb/> <l>Und flink von Sinn und Munde.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>„Gott grüſs' euch, ihr Frauen und Fräulein,</l><lb/> <l>„Gott gesegn' euch Essen und Trinken.</l><lb/> <l>„Ich sah einen wackern Königssohn,</l><lb/> <l>„Ich sah ihn schwimmen und sinken.“</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Die Frauen und Fräulein sie fuhren auf</l><lb/> <l>Von ihren scharlachenen Sesseln.</l><lb/> <l>Gar übel sich die schöne Königstochter gehub.</l><lb/> <l>Sie saſs wie auf Disteln und Nesseln.</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>„Ach Mutter, herzliebe Mutter,</l><lb/> <l>„Spatzieren mögt' ich gehn.</l><lb/> <l>„Vergönnt mir zu gehn in den grünen Wald</l><lb/> <l>„Wo die schönen Blümlein stehn.“ —</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [71/0091]
Ein Schalk vernahm die Rede,
Trug arge List im Sinn.
„Der Liebschaft will ich steuren,
„Dieweil ich lebend bin.“ —
Daſs Gott dich strafe du arger Schalk!
Daſs Gott dich verderbe zur Stunde! —
Er blies das Licht in der Leuchten aus.
Der Königssohn ging zu Grunde.
Ein Hofbursch trat zur Thür herein,
Wohl vor die Tafelrunde.
Es war ein Bürschchen hübsch und fein,
Und flink von Sinn und Munde.
„Gott grüſs' euch, ihr Frauen und Fräulein,
„Gott gesegn' euch Essen und Trinken.
„Ich sah einen wackern Königssohn,
„Ich sah ihn schwimmen und sinken.“
Die Frauen und Fräulein sie fuhren auf
Von ihren scharlachenen Sesseln.
Gar übel sich die schöne Königstochter gehub.
Sie saſs wie auf Disteln und Nesseln.
„Ach Mutter, herzliebe Mutter,
„Spatzieren mögt' ich gehn.
„Vergönnt mir zu gehn in den grünen Wald
„Wo die schönen Blümlein stehn.“ —
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Zitationshilfe: | Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 3. Leipzig, 1802, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen03_1802/91>, abgerufen am 16.02.2025. |