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Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 3. Leipzig, 1802.

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Des Tags umgoldet, rudert' er dahin
In stillem Ernst. Sein melancholisch Lied
Durchwallte fey'rlicher den dunkeln Forst,
Und stillte siegend mein empörtes Herz.

Erweicht, beschämt, genesen jeder Quaal
Stand ich erröthend, wie der ferne West,
Und thränend, wie der nahe Rosenbusch
Im Abendthau -- "Unsterblicher Gesang,
Rief ich begeistert aus, zu dämpfen dich,
Wie zu vermailigen des Sängers Ruf,
Versucht umsonst der Neider dumme Wuth,
Umsonst der Sykophanten Hohngeschrey.
Sein Grimm verschnaubt und ihr Geschrey verstummt.
Du aber, heil'ges Lied, des Gottes voll,
Tönst nieder zu den Enkeln, rührst, entzückst,
Und nennst des Sängers Namen, der vorlängst
Verschwunden, der gerechtern Afterwelt.
O süsse Gabe, rief ich inbrunstvoll
Und sehnsuchtvoll, des Liedes Gabe sey
Gewährt mir für das Leben! Öfter noch
Heb' aus der Wirklichkeit beschränktem Kreis,
Heb' über eitles Lob und schnöden Hohn',
Heb' über alles, was den Sinn verwirrt,

Des Tags umgoldet, rudert' er dahin
In stillem Ernst. Sein melancholisch Lied
Durchwallte fey'rlicher den dunkeln Forst,
Und stillte siegend mein empörtes Herz.

Erweicht, beschämt, genesen jeder Quaal
Stand ich erröthend, wie der ferne West,
Und thränend, wie der nahe Rosenbusch
Im Abendthau — „Unsterblicher Gesang,
Rief ich begeistert aus, zu dämpfen dich,
Wie zu vermailigen des Sängers Ruf,
Versucht umsonst der Neider dumme Wuth,
Umsonst der Sykophanten Hohngeschrey.
Sein Grimm verschnaubt und ihr Geschrey verstummt.
Du aber, heil'ges Lied, des Gottes voll,
Tönst nieder zu den Enkeln, rührst, entzückst,
Und nennst des Sängers Namen, der vorlängst
Verschwunden, der gerechtern Afterwelt.
O süſse Gabe, rief ich inbrunstvoll
Und sehnsuchtvoll, des Liedes Gabe sey
Gewährt mir für das Leben! Öfter noch
Heb' aus der Wirklichkeit beschränktem Kreis,
Heb' über eitles Lob und schnöden Hohn',
Heb' über alles, was den Sinn verwirrt,
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[297/0323] Des Tags umgoldet, rudert' er dahin In stillem Ernst. Sein melancholisch Lied Durchwallte fey'rlicher den dunkeln Forst, Und stillte siegend mein empörtes Herz. Erweicht, beschämt, genesen jeder Quaal Stand ich erröthend, wie der ferne West, Und thränend, wie der nahe Rosenbusch Im Abendthau — „Unsterblicher Gesang, Rief ich begeistert aus, zu dämpfen dich, Wie zu vermailigen des Sängers Ruf, Versucht umsonst der Neider dumme Wuth, Umsonst der Sykophanten Hohngeschrey. Sein Grimm verschnaubt und ihr Geschrey verstummt. Du aber, heil'ges Lied, des Gottes voll, Tönst nieder zu den Enkeln, rührst, entzückst, Und nennst des Sängers Namen, der vorlängst Verschwunden, der gerechtern Afterwelt. O süſse Gabe, rief ich inbrunstvoll Und sehnsuchtvoll, des Liedes Gabe sey Gewährt mir für das Leben! Öfter noch Heb' aus der Wirklichkeit beschränktem Kreis, Heb' über eitles Lob und schnöden Hohn', Heb' über alles, was den Sinn verwirrt,

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Zitationshilfe: Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 3. Leipzig, 1802, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen03_1802/323>, abgerufen am 22.12.2024.