Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 3. Leipzig, 1802.Fühlt' ich nicht, wie leis' und bange Mich ihr Lilienarm umwand? Flammt nicht noch auf dieser Wange Ihrer Wange keuscher Brand? Bin ich nicht des Weins noch trunken, Der auf ihren Lippen glüht? Dessen Gluthstrom Lebensfunken Mir durch Mark und Adern sprüht? Schäumt nicht noch der Becher über, Dess ich bis zum Taumeln trank? Bebt nicht noch in Nerv' und Fiber Des Entzückens Überschwang? Nein, mich trügt kein täuschend Sehnen; Nein, mich neckt kein nicht'ger Traum. Noch vermag ich Seyn und Wähnen, Noch zu scheiden Zeit und Raum. Und so wär' ein Kranz errungen, Wie er keinen noch gekrönt? Und die Möre wär' bezwungen, Und die Nemesis versöhnt? Ihn, den Matten, ihn, den Kranken, Lezte Labsal, reich und kühl, Und nach kühn durchmessnen Schranken Wär' erreicht der Ziele Ziel? Fühlt' ich nicht, wie leis' und bange Mich ihr Lilienarm umwand? Flammt nicht noch auf dieser Wange Ihrer Wange keuscher Brand? Bin ich nicht des Weins noch trunken, Der auf ihren Lippen glüht? Dessen Gluthstrom Lebensfunken Mir durch Mark und Adern sprüht? Schäumt nicht noch der Becher über, Deſs ich bis zum Taumeln trank? Bebt nicht noch in Nerv' und Fiber Des Entzückens Überschwang? Nein, mich trügt kein täuschend Sehnen; Nein, mich neckt kein nicht'ger Traum. Noch vermag ich Seyn und Wähnen, Noch zu scheiden Zeit und Raum. Und so wär' ein Kranz errungen, Wie er keinen noch gekrönt? Und die Möre wär' bezwungen, Und die Nemesis versöhnt? Ihn, den Matten, ihn, den Kranken, Lezte Labsal, reich und kühl, Und nach kühn durchmeſsnen Schranken Wär' erreicht der Ziele Ziel? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0195" n="173"/> <lg n="2"> <l>Fühlt' ich nicht, wie leis' und bange</l><lb/> <l>Mich ihr Lilienarm umwand?</l><lb/> <l>Flammt nicht noch auf dieser Wange</l><lb/> <l>Ihrer Wange keuscher Brand?</l><lb/> <l>Bin ich nicht des Weins noch trunken,</l><lb/> <l>Der auf ihren Lippen glüht?</l><lb/> <l>Dessen Gluthstrom Lebensfunken</l><lb/> <l>Mir durch Mark und Adern sprüht?</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Schäumt nicht noch der Becher über,</l><lb/> <l>Deſs ich bis zum Taumeln trank?</l><lb/> <l>Bebt nicht noch in Nerv' und Fiber</l><lb/> <l>Des Entzückens Überschwang?</l><lb/> <l>Nein, mich trügt kein täuschend Sehnen;</l><lb/> <l>Nein, mich neckt kein nicht'ger Traum.</l><lb/> <l>Noch vermag ich Seyn und Wähnen,</l><lb/> <l>Noch zu scheiden Zeit und Raum.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Und so wär' ein Kranz errungen,</l><lb/> <l>Wie er keinen noch gekrönt?</l><lb/> <l>Und die Möre wär' bezwungen,</l><lb/> <l>Und die Nemesis versöhnt?</l><lb/> <l>Ihn, den Matten, ihn, den Kranken,</l><lb/> <l>Lezte Labsal, reich und kühl,</l><lb/> <l>Und nach kühn durchmeſsnen Schranken</l><lb/> <l>Wär' erreicht der Ziele Ziel?</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [173/0195]
Fühlt' ich nicht, wie leis' und bange
Mich ihr Lilienarm umwand?
Flammt nicht noch auf dieser Wange
Ihrer Wange keuscher Brand?
Bin ich nicht des Weins noch trunken,
Der auf ihren Lippen glüht?
Dessen Gluthstrom Lebensfunken
Mir durch Mark und Adern sprüht?
Schäumt nicht noch der Becher über,
Deſs ich bis zum Taumeln trank?
Bebt nicht noch in Nerv' und Fiber
Des Entzückens Überschwang?
Nein, mich trügt kein täuschend Sehnen;
Nein, mich neckt kein nicht'ger Traum.
Noch vermag ich Seyn und Wähnen,
Noch zu scheiden Zeit und Raum.
Und so wär' ein Kranz errungen,
Wie er keinen noch gekrönt?
Und die Möre wär' bezwungen,
Und die Nemesis versöhnt?
Ihn, den Matten, ihn, den Kranken,
Lezte Labsal, reich und kühl,
Und nach kühn durchmeſsnen Schranken
Wär' erreicht der Ziele Ziel?
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Zitationshilfe: | Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 3. Leipzig, 1802, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen03_1802/195>, abgerufen am 16.02.2025. |