Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 3. Leipzig, 1802.Die müden Lippen schliess ich nun. Odin. Ich beschwör' und banne dich. Wach' auf, Prophetinn, wach' auf und sprich: Von wem wird Balders Mord gerochen? Von wem des Mörders Nacken gebrochen? Drude. Fern im West in Grotten tief Odin ein Mägdlein frech beschlief. Nun windet sich aus Rinda's Schooss Ein Wunderknabe knirschend los. Er wird sein Rebenhaar nicht kämmen, Die Glieder nicht im Strome schwemmen, Den Speer nicht an die Mauer stemmen, Bis Hoders Leib im Staube modert Oder hoch vom Scheiterhaufen lodert. Die schweren Lippen schliess ich nun. Lass mich, lass mich endlich ruhn. Odin. Einmal noch beschwör' ich dich. Einmal noch erwach und sprich: Wer sind sie, die trübsinnig schweigend, Ihr Haupt zur Erde niederneigend, Die müden Lippen schlieſs ich nun. Odin. Ich beschwör' und banne dich. Wach' auf, Prophetinn, wach' auf und sprich: Von wem wird Balders Mord gerochen? Von wem des Mörders Nacken gebrochen? Drude. Fern im West in Grotten tief Odin ein Mägdlein frech beschlief. Nun windet sich aus Rinda's Schooſs Ein Wunderknabe knirschend los. Er wird sein Rebenhaar nicht kämmen, Die Glieder nicht im Strome schwemmen, Den Speer nicht an die Mauer stemmen, Bis Hoders Leib im Staube modert Oder hoch vom Scheiterhaufen lodert. Die schweren Lippen schlieſs ich nun. Laſs mich, laſs mich endlich ruhn. Odin. Einmal noch beschwör' ich dich. Einmal noch erwach und sprich: Wer sind sie, die trübsinnig schweigend, Ihr Haupt zur Erde niederneigend, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg> <lg n="7"> <pb facs="#f0121" n="101"/> <l>Die müden Lippen schlieſs ich nun.</l><lb/> <l>Laſs mich, Stöhrer, laſs mich ruhn.</l> </lg> </lg><lb/> <lg> <head>Odin.</head><lb/> <lg n="8"> <l>Ich beschwör' und banne dich.</l><lb/> <l>Wach' auf, Prophetinn, wach' auf und sprich:</l><lb/> <l>Von wem wird Balders Mord gerochen?</l><lb/> <l>Von wem des Mörders Nacken gebrochen?</l> </lg> </lg><lb/> <lg> <head>Drude.</head><lb/> <lg n="9"> <l>Fern im West in Grotten tief</l><lb/> <l>Odin ein Mägdlein frech beschlief.</l><lb/> <l>Nun windet sich aus Rinda's Schooſs</l><lb/> <l>Ein Wunderknabe knirschend los.</l><lb/> <l>Er wird sein Rebenhaar nicht kämmen,</l><lb/> <l>Die Glieder nicht im Strome schwemmen,</l><lb/> <l>Den Speer nicht an die Mauer stemmen,</l><lb/> <l>Bis Hoders Leib im Staube modert</l><lb/> <l>Oder hoch vom Scheiterhaufen lodert.</l><lb/> <l>Die schweren Lippen schlieſs ich nun.</l><lb/> <l>Laſs mich, laſs mich endlich ruhn.</l> </lg> </lg><lb/> <lg> <head>Odin.</head><lb/> <lg n="10"> <l>Einmal noch beschwör' ich dich.</l><lb/> <l>Einmal noch erwach und sprich:</l><lb/> <l>Wer sind sie, die trübsinnig schweigend,</l><lb/> <l>Ihr Haupt zur Erde niederneigend,</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [101/0121]
Die müden Lippen schlieſs ich nun.
Laſs mich, Stöhrer, laſs mich ruhn.
Odin.
Ich beschwör' und banne dich.
Wach' auf, Prophetinn, wach' auf und sprich:
Von wem wird Balders Mord gerochen?
Von wem des Mörders Nacken gebrochen?
Drude.
Fern im West in Grotten tief
Odin ein Mägdlein frech beschlief.
Nun windet sich aus Rinda's Schooſs
Ein Wunderknabe knirschend los.
Er wird sein Rebenhaar nicht kämmen,
Die Glieder nicht im Strome schwemmen,
Den Speer nicht an die Mauer stemmen,
Bis Hoders Leib im Staube modert
Oder hoch vom Scheiterhaufen lodert.
Die schweren Lippen schlieſs ich nun.
Laſs mich, laſs mich endlich ruhn.
Odin.
Einmal noch beschwör' ich dich.
Einmal noch erwach und sprich:
Wer sind sie, die trübsinnig schweigend,
Ihr Haupt zur Erde niederneigend,
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