Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 2. Leipzig, 1798.
"Sah sie und freute mich ihrer. Sie schwoll, um Weiter sprach sie mit segnendem Blick und ge- falteten Händen: "Sprosset ihr Zarten heran in des Himmels schauen- dem Auge! "Blühet herauf, ihr Holden, zu nimmerwelkender Schöne! "Werdet geschmückt mit jeglicher Kraft, mit jeg- licher Tugend, "Dass ich dem Vater dereinst die vollgezeitigte Jungfrau, "Dass ich der Mutter dereinst den thatenrüstigen Jüngling "Führen mög' an Edens Schwell' in die offenen Arme! "Sprosset ihr Zarten indess und reift vor des Ewigen Antlitz." Also sprach sie, und endet' in inbrunstvoller Umarmung. Rings in Eden war fey'rliches Still und heiliges Schweigen.
„Sah sie und freute mich ihrer. Sie schwoll, um Weiter sprach sie mit segnendem Blick und ge- falteten Händen: „Sprosset ihr Zarten heran in des Himmels schauen- dem Auge! „Blühet herauf, ihr Holden, zu nimmerwelkender Schöne! „Werdet geschmückt mit jeglicher Kraft, mit jeg- licher Tugend, „Dass ich dem Vater dereinst die vollgezeitigte Jungfrau, „Dass ich der Mutter dereinst den thatenrüstigen Jüngling „Führen mög' an Edens Schwell' in die offenen Arme! „Sprosset ihr Zarten indess und reift vor des Ewigen Antlitz.“ Also sprach sie, und endet' in inbrunstvoller Umarmung. Rings in Eden war fey'rliches Still und heiliges Schweigen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="16"> <l> <pb facs="#f0378" n="354"/> </l> <l>„Sah sie und freute mich ihrer. Sie schwoll, um</l><lb/> <l>herrlich zu blühen.</l><lb/> <l>„Aber ich sollte die Blüthe nicht schaun. Hinweg</l><lb/> <l>aus der Erde</l><lb/> <l>„Ward ich gerückt, um dir, o Sohn, die Kind-</l><lb/> <l>lein zu ziehen.“</l> </lg><lb/> <lg n="17"> <l>Weiter sprach sie mit segnendem Blick und ge-</l><lb/> <l>falteten Händen:</l><lb/> <l>„Sprosset ihr Zarten heran in des Himmels schauen-</l><lb/> <l>dem Auge!</l><lb/> <l>„Blühet herauf, ihr Holden, zu nimmerwelkender</l><lb/> <l>Schöne!</l><lb/> <l>„Werdet geschmückt mit jeglicher Kraft, mit jeg-</l><lb/> <l>licher Tugend,</l><lb/> <l>„Dass ich dem Vater dereinst die vollgezeitigte</l><lb/> <l>Jungfrau,</l><lb/> <l>„Dass ich der Mutter dereinst den thatenrüstigen</l><lb/> <l>Jüngling</l><lb/> <l>„Führen mög' an Edens Schwell' in die offenen</l><lb/> <l>Arme!</l><lb/> <l>„Sprosset ihr Zarten indess und reift vor des Ewigen</l><lb/> <l>Antlitz.“</l> </lg><lb/> <lg n="18"> <l>Also sprach sie, und endet' in inbrunstvoller</l><lb/> <l>Umarmung.</l><lb/> <l>Rings in Eden war fey'rliches Still und heiliges</l><lb/> <l>Schweigen.</l><lb/> <l> </l> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [354/0378]
„Sah sie und freute mich ihrer. Sie schwoll, um
herrlich zu blühen.
„Aber ich sollte die Blüthe nicht schaun. Hinweg
aus der Erde
„Ward ich gerückt, um dir, o Sohn, die Kind-
lein zu ziehen.“
Weiter sprach sie mit segnendem Blick und ge-
falteten Händen:
„Sprosset ihr Zarten heran in des Himmels schauen-
dem Auge!
„Blühet herauf, ihr Holden, zu nimmerwelkender
Schöne!
„Werdet geschmückt mit jeglicher Kraft, mit jeg-
licher Tugend,
„Dass ich dem Vater dereinst die vollgezeitigte
Jungfrau,
„Dass ich der Mutter dereinst den thatenrüstigen
Jüngling
„Führen mög' an Edens Schwell' in die offenen
Arme!
„Sprosset ihr Zarten indess und reift vor des Ewigen
Antlitz.“
Also sprach sie, und endet' in inbrunstvoller
Umarmung.
Rings in Eden war fey'rliches Still und heiliges
Schweigen.
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