Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 2. Leipzig, 1798.O der finstersten der finstern Stunden, Wo dein zarter Bau zusammenbrach! Wo nach hundert durchgequälten Stunden Deine Kraft dem Stärkern unterlag! Lächelnd griffst du in den Stahl der Parzen, Der dir zögernd durch das Leben fuhr! Lächelnd lagst du auf dem Bett der Schmerzen, Und verweht war jedes Schmerzes Spur! Wahrlich, diese himmelangebrochnen Augen Sehn Geheimnisse, die Worte nur entweihn. Diese lechzend aufgeschlossnen Lippen saugen Himmelslüfte lüstern ein! Und schon prangt die Alabasterbüste In der Unschuld Liliengewand, Auf dem schwarz beflorten Klaggerüste, Eine Ros' in ihrer rechten Hand, In der Linken fünf Violenglöckchen, Die der Frühe lauer Hauch erschloss, Einen Myrtenkranz um ihre blonden Löckchen, Myrtenreiser rings auf Brust und Schooss -- Wie sie lächelnd liegt! -- Ist das des Todes Weise? Nein, diess holde Mägdlein ist nicht todt; es schläft! Ich beschwör' euch, Freunde! tretet leise, leise! Denn mein theures Mägdlein schläft! Y 2
O der finstersten der finstern Stunden, Wo dein zarter Bau zusammenbrach! Wo nach hundert durchgequälten Stunden Deine Kraft dem Stärkern unterlag! Lächelnd griffst du in den Stahl der Parzen, Der dir zögernd durch das Leben fuhr! Lächelnd lagst du auf dem Bett der Schmerzen, Und verweht war jedes Schmerzes Spur! Wahrlich, diese himmelangebrochnen Augen Sehn Geheimnisse, die Worte nur entweihn. Diese lechzend aufgeschlossnen Lippen saugen Himmelslüfte lüstern ein! Und schon prangt die Alabasterbüste In der Unschuld Liliengewand, Auf dem schwarz beflorten Klaggerüste, Eine Ros' in ihrer rechten Hand, In der Linken fünf Violenglöckchen, Die der Frühe lauer Hauch erschloss, Einen Myrtenkranz um ihre blonden Löckchen, Myrtenreiser rings auf Brust und Schooss — Wie sie lächelnd liegt! — Ist das des Todes Weise? Nein, diess holde Mägdlein ist nicht todt; es schläft! Ich beschwör' euch, Freunde! tretet leise, leise! Denn mein theures Mägdlein schläft! Y 2
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O der finstersten der finstern Stunden,
Wo dein zarter Bau zusammenbrach!
Wo nach hundert durchgequälten Stunden
Deine Kraft dem Stärkern unterlag!
Lächelnd griffst du in den Stahl der Parzen,
Der dir zögernd durch das Leben fuhr!
Lächelnd lagst du auf dem Bett der Schmerzen,
Und verweht war jedes Schmerzes Spur!
Wahrlich, diese himmelangebrochnen Augen
Sehn Geheimnisse, die Worte nur entweihn.
Diese lechzend aufgeschlossnen Lippen saugen
Himmelslüfte lüstern ein!
Und schon prangt die Alabasterbüste
In der Unschuld Liliengewand,
Auf dem schwarz beflorten Klaggerüste,
Eine Ros' in ihrer rechten Hand,
In der Linken fünf Violenglöckchen,
Die der Frühe lauer Hauch erschloss,
Einen Myrtenkranz um ihre blonden Löckchen,
Myrtenreiser rings auf Brust und Schooss —
Wie sie lächelnd liegt! — Ist das des Todes
Weise?
Nein, diess holde Mägdlein ist nicht todt; es
schläft!
Ich beschwör' euch, Freunde! tretet leise, leise!
Denn mein theures Mägdlein schläft!
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