In diess Siberien, wo, gleich einem flüchtigen Freunde, Schüchtern die Freud' uns besucht, schnell uns umhalset und flieht; "Wo die Gegenwart Wund' ist, und die Vergan- genheit Narbe;" *) -- Wo die Besten von uns Früchte nicht tra- gen, nur Laub; Wo wir klimmen auf staubigen Stufen der Thorheit und Sünde, Zu der Vollkommenheit leuchtendem Tempel hinan.
Meine Freundin, ich wollte zum fröhlichen Tage der Pfingsten Dir ein fröhliches Lied dichten; ich wollte dein Lob, Das schon lange den Busen mir wärmet, mit Einfalt der Wahrheit, Nicht mit der Dichtungen Schmuck einmal nur singen, und nie. Aber es hüllt mir die Seel' ein unauswölkbares Dunkel; Regengedanken umwehn meinen umnach- teten Geist;
*) Jean Paul.
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In diess Siberien, wo, gleich einem flüchtigen Freunde, Schüchtern die Freud' uns besucht, schnell uns umhalset und flieht; „Wo die Gegenwart Wund' ist, und die Vergan- genheit Narbe;“ *) — Wo die Besten von uns Früchte nicht tra- gen, nur Laub; Wo wir klimmen auf staubigen Stufen der Thorheit und Sünde, Zu der Vollkommenheit leuchtendem Tempel hinan.
Meine Freundin, ich wollte zum fröhlichen Tage der Pfingsten Dir ein fröhliches Lied dichten; ich wollte dein Lob, Das schon lange den Busen mir wärmet, mit Einfalt der Wahrheit, Nicht mit der Dichtungen Schmuck einmal nur singen, und nie. Aber es hüllt mir die Seel' ein unauswölkbares Dunkel; Regengedanken umwehn meinen umnach- teten Geist;
*) Jean Paul.
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In diess Siberien, wo, gleich einem flüchtigen
Freunde,
Schüchtern die Freud' uns besucht, schnell
uns umhalset und flieht;
„Wo die Gegenwart Wund' ist, und die Vergan-
genheit Narbe;“ *) —
Wo die Besten von uns Früchte nicht tra-
gen, nur Laub;
Wo wir klimmen auf staubigen Stufen der Thorheit
und Sünde,
Zu der Vollkommenheit leuchtendem Tempel
hinan.
Meine Freundin, ich wollte zum fröhlichen Tage
der Pfingsten
Dir ein fröhliches Lied dichten; ich wollte
dein Lob,
Das schon lange den Busen mir wärmet, mit Einfalt
der Wahrheit,
Nicht mit der Dichtungen Schmuck einmal
nur singen, und nie.
Aber es hüllt mir die Seel' ein unauswölkbares
Dunkel;
Regengedanken umwehn meinen umnach-
teten Geist;
*) Jean Paul.
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Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen02_1798/341>, abgerufen am 16.02.2025.
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