Wo seyd, wo seyd ihr hin, zu schnell ver- flossne Zeiten, Ihr Tage reich an Qual und reich an Selig- keiten, Wo ich im Abendlicht an Rosens Seite sass Und jeden Erdengram in ihrem Arm vergass; Wo schnell dem ihrigen mein Herz entgegen- brannte, Wo sie mich schnell begriff, mich feurig Bruder! nannte, Wo an ihr Schwesterherz das meine fest sich schloss, Ganz Geist in Geist zerfloss!
Wie oft, wenn ich versengt von deines Sa- mum Brande, Tyrannin Leidenschaft, und kaum dem schroffen Rande Des Untergangs entschlüpft, an Rosens Busen flog, Und Trost aus ihrem Blick und ihrem Handdruck sog; Wie troff so heilend dann aus ihrem Honigmunde Der Weisheit Öl und Wein auf meine Herzens- wunde! Beschämt, gestärkt, versöhnt mit Welt und mit Geschick Kehrt' ich ins Joch zurück.
U 2
Wo seyd, wo seyd ihr hin, zu schnell ver- flossne Zeiten, Ihr Tage reich an Qual und reich an Selig- keiten, Wo ich im Abendlicht an Rosens Seite sass Und jeden Erdengram in ihrem Arm vergass; Wo schnell dem ihrigen mein Herz entgegen- brannte, Wo sie mich schnell begriff, mich feurig Bruder! nannte, Wo an ihr Schwesterherz das meine fest sich schloss, Ganz Geist in Geist zerfloss!
Wie oft, wenn ich versengt von deines Sa- mum Brande, Tyrannin Leidenschaft, und kaum dem schroffen Rande Des Untergangs entschlüpft, an Rosens Busen flog, Und Trost aus ihrem Blick und ihrem Handdruck sog; Wie troff so heilend dann aus ihrem Honigmunde Der Weisheit Öl und Wein auf meine Herzens- wunde! Beschämt, gestärkt, versöhnt mit Welt und mit Geschick Kehrt' ich ins Joch zurück.
U 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><lgtype="poem"><l><pbfacs="#f0327"n="307"/></l><lgn="4"><l>Wo seyd, wo seyd ihr hin, zu schnell ver-</l><lb/><l>flossne Zeiten,</l><lb/><l>Ihr Tage reich an Qual und reich an Selig-</l><lb/><l>keiten,</l><lb/><l>Wo ich im Abendlicht an Rosens Seite sass</l><lb/><l>Und jeden Erdengram in ihrem Arm vergass;</l><lb/><l>Wo schnell dem ihrigen mein Herz entgegen-</l><lb/><l>brannte,</l><lb/><l>Wo sie mich schnell begriff, mich feurig Bruder!</l><lb/><l>nannte,</l><lb/><l>Wo an ihr Schwesterherz das meine fest sich</l><lb/><l>schloss,</l><lb/><l>Ganz Geist in Geist zerfloss!</l></lg><lb/><lgn="5"><l>Wie oft, wenn ich versengt von deines Sa-</l><lb/><l>mum Brande,</l><lb/><l>Tyrannin Leidenschaft, und kaum dem schroffen</l><lb/><l>Rande</l><lb/><l>Des Untergangs entschlüpft, an Rosens Busen flog,</l><lb/><l>Und Trost aus ihrem Blick und ihrem Handdruck</l><lb/><l>sog;</l><lb/><l>Wie troff so heilend dann aus ihrem Honigmunde</l><lb/><l>Der Weisheit Öl und Wein auf meine Herzens-</l><lb/><l>wunde!</l><lb/><l>Beschämt, gestärkt, versöhnt mit Welt und mit</l><lb/><l>Geschick</l><lb/><l>Kehrt' ich ins Joch zurück.</l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="sig">U 2</fw><lb/><l></l></lg></div></div></body></text></TEI>
[307/0327]
Wo seyd, wo seyd ihr hin, zu schnell ver-
flossne Zeiten,
Ihr Tage reich an Qual und reich an Selig-
keiten,
Wo ich im Abendlicht an Rosens Seite sass
Und jeden Erdengram in ihrem Arm vergass;
Wo schnell dem ihrigen mein Herz entgegen-
brannte,
Wo sie mich schnell begriff, mich feurig Bruder!
nannte,
Wo an ihr Schwesterherz das meine fest sich
schloss,
Ganz Geist in Geist zerfloss!
Wie oft, wenn ich versengt von deines Sa-
mum Brande,
Tyrannin Leidenschaft, und kaum dem schroffen
Rande
Des Untergangs entschlüpft, an Rosens Busen flog,
Und Trost aus ihrem Blick und ihrem Handdruck
sog;
Wie troff so heilend dann aus ihrem Honigmunde
Der Weisheit Öl und Wein auf meine Herzens-
wunde!
Beschämt, gestärkt, versöhnt mit Welt und mit
Geschick
Kehrt' ich ins Joch zurück.
U 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen02_1798/327>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.