Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 2. Leipzig, 1798.Schön bekränzt von Schlüsselblumenglocken, Floss ihr Haar in schweren blonden Locken Von des Zephyrs Odem aufgehaucht. Weiss und schwellend, wie des Schwans Gefieder, Wallt' ihr Schneegewand die Hüften nieder, In der Abendsonne Gold getaucht. Röther brannten itzt des Spätroths Gluthen, Düstrer donnerten die düstern Fluthen, Gross und fey'rlich sank die Sonn' hinab. Rings umrauschte sie des Meeres Fülle; Aber plötzlich ward es stille, stille, Wie um eines guten Menschen Grab. Staunend schauten wir vom schroffen Hügel Nieder in des Meeres Lasurspiegel, Staunender zum Abendroth empor. Schon erblassten seine Purpurnelken. Schau! da dämmert' aus den Duftgewölken Bleich und lieb der Abendstern hervor. Und mir ward, als hört' ich Angstgestöhne, Grabgewimmer, dumpfe Jammertöne Von dem blassen Stern herüberwehn. "Stern der Liebe," rief ich mit Erstarren, "Siehst du auch, du Blasser, Gräber scharren, "Herzen brechen, Leben untergehn?" 2 N
Schön bekränzt von Schlüsselblumenglocken, Floss ihr Haar in schweren blonden Locken Von des Zephyrs Odem aufgehaucht. Weiss und schwellend, wie des Schwans Gefieder, Wallt' ihr Schneegewand die Hüften nieder, In der Abendsonne Gold getaucht. Röther brannten itzt des Spätroths Gluthen, Düstrer donnerten die düstern Fluthen, Gross und fey'rlich sank die Sonn' hinab. Rings umrauschte sie des Meeres Fülle; Aber plötzlich ward es stille, stille, Wie um eines guten Menschen Grab. Staunend schauten wir vom schroffen Hügel Nieder in des Meeres Lasurspiegel, Staunender zum Abendroth empor. Schon erblassten seine Purpurnelken. Schau! da dämmert' aus den Duftgewölken Bleich und lieb der Abendstern hervor. Und mir ward, als hört' ich Angstgestöhne, Grabgewimmer, dumpfe Jammertöne Von dem blassen Stern herüberwehn. „Stern der Liebe,“ rief ich mit Erstarren, „Siehst du auch, du Blasser, Gräber scharren, „Herzen brechen, Leben untergehn?“ 2 N
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Schön bekränzt von Schlüsselblumenglocken,
Floss ihr Haar in schweren blonden Locken
Von des Zephyrs Odem aufgehaucht.
Weiss und schwellend, wie des Schwans Gefieder,
Wallt' ihr Schneegewand die Hüften nieder,
In der Abendsonne Gold getaucht.
Röther brannten itzt des Spätroths Gluthen,
Düstrer donnerten die düstern Fluthen,
Gross und fey'rlich sank die Sonn' hinab.
Rings umrauschte sie des Meeres Fülle;
Aber plötzlich ward es stille, stille,
Wie um eines guten Menschen Grab.
Staunend schauten wir vom schroffen Hügel
Nieder in des Meeres Lasurspiegel,
Staunender zum Abendroth empor.
Schon erblassten seine Purpurnelken.
Schau! da dämmert' aus den Duftgewölken
Bleich und lieb der Abendstern hervor.
Und mir ward, als hört' ich Angstgestöhne,
Grabgewimmer, dumpfe Jammertöne
Von dem blassen Stern herüberwehn.
„Stern der Liebe,“ rief ich mit Erstarren,
„Siehst du auch, du Blasser, Gräber scharren,
„Herzen brechen, Leben untergehn?“
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