Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 2. Leipzig, 1798.Also blühte das Mädchen, und also wallt' es ge- räuschlos Deinen blumigen Pfad, freudige Jugend, hinab. Zween Abgründe belauschen die Pfade des wandeln- den Mädchens, Dieser der Eitelkeit, jener des falschen Ge- fühls. Aber sie täuschten sie nicht. Von Gottes Auge ge- leitet, Mied sie die Lockenden, ging graden und sicheren Pfad, Dachte, doch ohne zu träumen, empfand doch son- der Empfindeln, Fühlt', und handelte mehr, liebte, doch liebelte nicht, Liebet' und wurde geliebt -- O höchstes, schönstes der Loose, Allen geliebet und werth, allen geliebet zu seyn! Was beblümet die Pfade des Lebens? Was kühlet des Pilgers Brennende Schläfe, was wärmt ihn in er- starrender Nacht? Seliglächelnde Freundschaft, du thust es, du reiche- test Rosen Also blühte das Mädchen, und also wallt' es ge- räuschlos Deinen blumigen Pfad, freudige Jugend, hinab. Zween Abgründe belauschen die Pfade des wandeln- den Mädchens, Dieser der Eitelkeit, jener des falschen Ge- fühls. Aber sie täuschten sie nicht. Von Gottes Auge ge- leitet, Mied sie die Lockenden, ging graden und sicheren Pfad, Dachte, doch ohne zu träumen, empfand doch son- der Empfindeln, Fühlt', und handelte mehr, liebte, doch liebelte nicht, Liebet' und wurde geliebt — O höchstes, schönstes der Loose, Allen geliebet und werth, allen geliebet zu seyn! Was beblümet die Pfade des Lebens? Was kühlet des Pilgers Brennende Schläfe, was wärmt ihn in er- starrender Nacht? Seliglächelnde Freundschaft, du thust es, du reiche- test Rosen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <l> <pb facs="#f0111" n="95"/> </l> <lg n="5"> <l>Also blühte das Mädchen, und also wallt' es ge-</l><lb/> <l>räuschlos</l><lb/> <l>Deinen blumigen Pfad, freudige Jugend,</l><lb/> <l>hinab.</l><lb/> <l>Zween Abgründe belauschen die Pfade des wandeln-</l><lb/> <l>den Mädchens,</l><lb/> <l>Dieser der Eitelkeit, jener des falschen Ge-</l><lb/> <l>fühls.</l><lb/> <l>Aber sie täuschten sie nicht. Von Gottes Auge ge-</l><lb/> <l>leitet,</l><lb/> <l>Mied sie die Lockenden, ging graden und</l><lb/> <l>sicheren Pfad,</l><lb/> <l>Dachte, doch ohne zu träumen, empfand doch son-</l><lb/> <l>der Empfindeln,</l><lb/> <l>Fühlt', und handelte mehr, liebte, doch</l><lb/> <l>liebelte nicht,</l><lb/> <l>Liebet' und wurde geliebt — O höchstes, schönstes</l><lb/> <l>der Loose,</l><lb/> <l>Allen geliebet und werth, allen geliebet zu</l><lb/> <l>seyn!</l><lb/> <l>Was beblümet die Pfade des Lebens? Was kühlet</l><lb/> <l>des Pilgers</l><lb/> <l>Brennende Schläfe, was wärmt ihn in er-</l><lb/> <l>starrender Nacht?</l><lb/> <l>Seliglächelnde Freundschaft, du thust es, du reiche-</l><lb/> <l>test Rosen</l> </lg><lb/> <l> </l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [95/0111]
Also blühte das Mädchen, und also wallt' es ge-
räuschlos
Deinen blumigen Pfad, freudige Jugend,
hinab.
Zween Abgründe belauschen die Pfade des wandeln-
den Mädchens,
Dieser der Eitelkeit, jener des falschen Ge-
fühls.
Aber sie täuschten sie nicht. Von Gottes Auge ge-
leitet,
Mied sie die Lockenden, ging graden und
sicheren Pfad,
Dachte, doch ohne zu träumen, empfand doch son-
der Empfindeln,
Fühlt', und handelte mehr, liebte, doch
liebelte nicht,
Liebet' und wurde geliebt — O höchstes, schönstes
der Loose,
Allen geliebet und werth, allen geliebet zu
seyn!
Was beblümet die Pfade des Lebens? Was kühlet
des Pilgers
Brennende Schläfe, was wärmt ihn in er-
starrender Nacht?
Seliglächelnde Freundschaft, du thust es, du reiche-
test Rosen
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