Ach, wie zittert ihr Herz von ungestandnen Ge- fühlen! Warum fliehst du, wie schüchterne Rehe des Wal- des, Geliebte? Hüte dich! Rein ist dein Kleid; dass der Gasse Staub es nicht schmutze! Zart dein Antliz; dass nicht der sengende Mittag es bräune!
Aber geschmiegt an die göttliche Mutter, mit trauerndem Anstand, Mit gesenkterem Blick, mit thränenschimmernden Augen, Seufzergehobner Brust, und mitleidlächelnder Lippe, Redet, wer ist sie, wer sieht sie so trüblich, ein Stern aus des Abends Thauendem Dufte? -- Ich kenne dein Antlitz -- die segnenden Völker Nennen dich Menschenhuld, dich, theuerste Tochter der Mutter, Dich, den Liebling der Erd' und des Himmels. Reges Erbarmen Schwellet dir ewig die Brust, und ewig nässen die Augen Thränen des Mitleids. Die Plagen des Lebens, der Stachel der Armuth,
Ach, wie zittert ihr Herz von ungestandnen Ge- fühlen! Warum fliehst du, wie schüchterne Rehe des Wal- des, Geliebte? Hüte dich! Rein ist dein Kleid; daſs der Gasse Staub es nicht schmutze! Zart dein Antliz; daſs nicht der sengende Mittag es bräune!
Aber geschmiegt an die göttliche Mutter, mit trauerndem Anstand, Mit gesenkterem Blick, mit thränenschimmernden Augen, Seufzergehobner Brust, und mitleidlächelnder Lippe, Redet, wer ist sie, wer sieht sie so trüblich, ein Stern aus des Abends Thauendem Dufte? — Ich kenne dein Antlitz — die segnenden Völker Nennen dich Menschenhuld, dich, theuerste Tochter der Mutter, Dich, den Liebling der Erd' und des Himmels. Reges Erbarmen Schwellet dir ewig die Brust, und ewig nässen die Augen Thränen des Mitleids. Die Plagen des Lebens, der Stachel der Armuth,
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Ach, wie zittert ihr Herz von ungestandnen Ge-
fühlen!
Warum fliehst du, wie schüchterne Rehe des Wal-
des, Geliebte?
Hüte dich! Rein ist dein Kleid; daſs der Gasse
Staub es nicht schmutze!
Zart dein Antliz; daſs nicht der sengende Mittag
es bräune!
Aber geschmiegt an die göttliche Mutter, mit
trauerndem Anstand,
Mit gesenkterem Blick, mit thränenschimmernden
Augen,
Seufzergehobner Brust, und mitleidlächelnder
Lippe,
Redet, wer ist sie, wer sieht sie so trüblich, ein
Stern aus des Abends
Thauendem Dufte? — Ich kenne dein Antlitz —
die segnenden Völker
Nennen dich Menschenhuld, dich, theuerste
Tochter der Mutter,
Dich, den Liebling der Erd' und des Himmels.
Reges Erbarmen
Schwellet dir ewig die Brust, und ewig nässen die
Augen
Thränen des Mitleids. Die Plagen des Lebens, der
Stachel der Armuth,
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Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798/60>, abgerufen am 17.02.2025.
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