Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798.O wie ruhig, o wie matt und müde Werd' ich in die enge Wohnung gehn! O wie lieblich wird der tiefe Friede Um den früherhöhten Hügel wehn! Und wer weiss, ob nicht der immerwache Argwohn dann sein Meisterstück bereut, Ob nicht selbst die spätversöhnte Rache Ihrem Opfer dann ein Thränchen weiht. Selig, wessen Flug das Land erflieget, Wo der Seelen Scheidewand zerfällt; Wo sich Herz an Herz vertraulich schmieget, Und gesellig Geist an Geist sich hält; Wo kein Vorurtheil die Treuen tadelt, Und kein Wahn sie auseinander reisst; Wo nur Güte hebt, wo Kraft nur adelt, Und der Trefflichste der Erste heisst! O wie ruhig, o wie matt und müde Werd' ich in die enge Wohnung gehn! O wie lieblich wird der tiefe Friede Um den früherhöhten Hügel wehn! Und wer weiſs, ob nicht der immerwache Argwohn dann sein Meisterstück bereut, Ob nicht selbst die spätversöhnte Rache Ihrem Opfer dann ein Thränchen weiht. Selig, wessen Flug das Land erflieget, Wo der Seelen Scheidewand zerfällt; Wo sich Herz an Herz vertraulich schmieget, Und gesellig Geist an Geist sich hält; Wo kein Vorurtheil die Treuen tadelt, Und kein Wahn sie auseinander reiſst; Wo nur Güte hebt, wo Kraft nur adelt, Und der Trefflichste der Erste heiſst! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0419" n="373"/> <lg n="17"> <l>O wie ruhig, o wie matt und müde</l><lb/> <l>Werd' ich in die enge Wohnung gehn!</l><lb/> <l>O wie lieblich wird der tiefe Friede</l><lb/> <l>Um den früherhöhten Hügel wehn!</l><lb/> <l>Und wer weiſs, ob nicht der immerwache</l><lb/> <l>Argwohn dann sein Meisterstück bereut,</l><lb/> <l>Ob nicht selbst die spätversöhnte Rache</l><lb/> <l>Ihrem Opfer dann ein Thränchen weiht.</l> </lg><lb/> <lg n="18"> <l>Selig, wessen Flug das Land erflieget,</l><lb/> <l>Wo der Seelen Scheidewand zerfällt;</l><lb/> <l>Wo sich Herz an Herz vertraulich schmieget,</l><lb/> <l>Und gesellig Geist an Geist sich hält;</l><lb/> <l>Wo kein Vorurtheil die Treuen tadelt,</l><lb/> <l>Und kein Wahn sie auseinander reiſst;</l><lb/> <l>Wo nur Güte hebt, wo Kraft nur adelt,</l><lb/> <l>Und der Trefflichste der Erste heiſst!</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [373/0419]
O wie ruhig, o wie matt und müde
Werd' ich in die enge Wohnung gehn!
O wie lieblich wird der tiefe Friede
Um den früherhöhten Hügel wehn!
Und wer weiſs, ob nicht der immerwache
Argwohn dann sein Meisterstück bereut,
Ob nicht selbst die spätversöhnte Rache
Ihrem Opfer dann ein Thränchen weiht.
Selig, wessen Flug das Land erflieget,
Wo der Seelen Scheidewand zerfällt;
Wo sich Herz an Herz vertraulich schmieget,
Und gesellig Geist an Geist sich hält;
Wo kein Vorurtheil die Treuen tadelt,
Und kein Wahn sie auseinander reiſst;
Wo nur Güte hebt, wo Kraft nur adelt,
Und der Trefflichste der Erste heiſst!
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