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Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798.

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Den jungfräulichen Kranz, zerriss ihn, zerfetzte
den Schleyer,
Der den entweihten Busen ihr hüllt', und warf
sich verzweifelnd
Über den Flatternden hin -- Das war dem Auge
des Räubers
Süsse Weide. Noch höhnt' er: "Was quälst du
dich, Fräulein von Garmin? --
"Quäle dich nicht. Du hast mir geopfert dein Lieb-
stes und Bestes,
"Und ich opfre dir wieder mein Liebstes und Be-
stes, die Freiheit
"Meines Herzens und Standes. Schon eil' ich zu
deinem Erzeuger."

Also sprach er, und flog aus dem Garten. Zum
grauen Erzeuger
Ging er nicht hin; er sprang auf sein Ross, und
sprengte von dannen.
Edallwina vernahm des Pflasters Prasseln. Die
Sinne
Flirrten, schwindelten ihr. Hin sank sie, kraft-
und gefühllos.
Haining irrte vorüber und sah die Erbleichende
liegen.
Schrecken der Lieb' ergriffen den Harfner, und Schauer
des Mitleids.

Den jungfräulichen Kranz, zerriſs ihn, zerfetzte
den Schleyer,
Der den entweihten Busen ihr hüllt', und warf
sich verzweifelnd
Über den Flatternden hin — Das war dem Auge
des Räubers
Süſse Weide. Noch höhnt' er: „Was quälst du
dich, Fräulein von Garmin? —
„Quäle dich nicht. Du hast mir geopfert dein Lieb-
stes und Bestes,
„Und ich opfre dir wieder mein Liebstes und Be-
stes, die Freiheit
„Meines Herzens und Standes. Schon eil' ich zu
deinem Erzeuger.“

Also sprach er, und flog aus dem Garten. Zum
grauen Erzeuger
Ging er nicht hin; er sprang auf sein Roſs, und
sprengte von dannen.
Edallwina vernahm des Pflasters Prasseln. Die
Sinne
Flirrten, schwindelten ihr. Hin sank sie, kraft-
und gefühllos.
Haining irrte vorüber und sah die Erbleichende
liegen.
Schrecken der Lieb' ergriffen den Harfner, und Schauer
des Mitleids.
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[270/0316] Den jungfräulichen Kranz, zerriſs ihn, zerfetzte den Schleyer, Der den entweihten Busen ihr hüllt', und warf sich verzweifelnd Über den Flatternden hin — Das war dem Auge des Räubers Süſse Weide. Noch höhnt' er: „Was quälst du dich, Fräulein von Garmin? — „Quäle dich nicht. Du hast mir geopfert dein Lieb- stes und Bestes, „Und ich opfre dir wieder mein Liebstes und Be- stes, die Freiheit „Meines Herzens und Standes. Schon eil' ich zu deinem Erzeuger.“ Also sprach er, und flog aus dem Garten. Zum grauen Erzeuger Ging er nicht hin; er sprang auf sein Roſs, und sprengte von dannen. Edallwina vernahm des Pflasters Prasseln. Die Sinne Flirrten, schwindelten ihr. Hin sank sie, kraft- und gefühllos. Haining irrte vorüber und sah die Erbleichende liegen. Schrecken der Lieb' ergriffen den Harfner, und Schauer des Mitleids.

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Zitationshilfe: Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798/316>, abgerufen am 22.11.2024.