Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798.Der Ralunken, den Kopf. Der grimmige Rawen Ähnlich dem Brüllen der See, wenn sie itzt die Leben von hundert Schiffen verschlang, erscholl das Jauchzen der sie- genden Räuber. Bleich und starr, wie der Marmor, sass Heregunde. Der Räuber Einer fasst' ihr höhnisch das Kinn: "Du Zierlich- gelockte, "Freue dich, Traute. Mein Arm hat eines Weich- linges Bette "Dich entrissen. Nun sollst du das Bette des star- ken Ralunken "Schmücken. Dem Starken gebührt die Schöne." -- Das zitternde Mädchen Regte die Lippen, und schwieg. So schweigt die Taube dem Falken. Der Ralunken, den Kopf. Der grimmige Rawen Ähnlich dem Brüllen der See, wenn sie itzt die Leben von hundert Schiffen verschlang, erscholl das Jauchzen der sie- genden Räuber. Bleich und starr, wie der Marmor, saſs Heregunde. Der Räuber Einer faſst' ihr höhnisch das Kinn: „Du Zierlich- gelockte, „Freue dich, Traute. Mein Arm hat eines Weich- linges Bette „Dich entrissen. Nun sollst du das Bette des star- ken Ralunken „Schmücken. Dem Starken gebührt die Schöne.“ — Das zitternde Mädchen Regte die Lippen, und schwieg. So schweigt die Taube dem Falken. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="21"> <pb facs="#f0178" n="136"/> <l>Der Ralunken, den Kopf. Der grimmige Rawen</l><lb/> <l>ersah es,</l><lb/> <l>Schwang die Axt, warf schleudernd die Herbe dem</l><lb/> <l>Jüngling ins Antlitz.</l><lb/> <l>Röchelnd entstürzt er dem Bord. So stürzt die</l><lb/> <l>schönste der Buchen,</l><lb/> <l>Ausgewühlt vom schmelzenden Schnee, entwurzelt</l><lb/> <l>vom Gieſsbach,</l><lb/> <l>In die Fluthen hinab von der kreidigen Stubben</l><lb/> <l>kammer.</l> </lg><lb/> <lg n="22"> <l>Ähnlich dem Brüllen der See, wenn sie itzt die</l><lb/> <l>Leben von hundert</l><lb/> <l>Schiffen verschlang, erscholl das Jauchzen der sie-</l><lb/> <l>genden Räuber.</l><lb/> <l>Bleich und starr, wie der Marmor, saſs Heregunde.</l><lb/> <l>Der Räuber</l><lb/> <l>Einer faſst' ihr höhnisch das Kinn: „Du Zierlich-</l><lb/> <l>gelockte,</l><lb/> <l>„Freue dich, Traute. Mein Arm hat eines Weich-</l><lb/> <l>linges Bette</l><lb/> <l>„Dich entrissen. Nun sollst du das Bette des star-</l><lb/> <l>ken Ralunken</l><lb/> <l>„Schmücken. Dem Starken gebührt die Schöne.“ —</l><lb/> <l>Das zitternde Mädchen</l><lb/> <l>Regte die Lippen, und schwieg. So schweigt die</l><lb/> <l>Taube dem Falken.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [136/0178]
Der Ralunken, den Kopf. Der grimmige Rawen
ersah es,
Schwang die Axt, warf schleudernd die Herbe dem
Jüngling ins Antlitz.
Röchelnd entstürzt er dem Bord. So stürzt die
schönste der Buchen,
Ausgewühlt vom schmelzenden Schnee, entwurzelt
vom Gieſsbach,
In die Fluthen hinab von der kreidigen Stubben
kammer.
Ähnlich dem Brüllen der See, wenn sie itzt die
Leben von hundert
Schiffen verschlang, erscholl das Jauchzen der sie-
genden Räuber.
Bleich und starr, wie der Marmor, saſs Heregunde.
Der Räuber
Einer faſst' ihr höhnisch das Kinn: „Du Zierlich-
gelockte,
„Freue dich, Traute. Mein Arm hat eines Weich-
linges Bette
„Dich entrissen. Nun sollst du das Bette des star-
ken Ralunken
„Schmücken. Dem Starken gebührt die Schöne.“ —
Das zitternde Mädchen
Regte die Lippen, und schwieg. So schweigt die
Taube dem Falken.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |