Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Frevler rings um ihn, wie durch die Welt
Voll Bosheit eine gute Seele glänzt.

Dess grollten ärger noch die Frevelnden,
Und neue Bosheit keimte, wuchs und reift',
Im Hui! in ihrer neidgeschwollnen Brust.
Sie brausten eilig zum verwandten Koth,
Sie tauchten unter in den zähen Schlamm,
Belasteten Schweif, Schnabel, Schwing' und Krall'
Mit ekelhafter Beute, rauschten schwer
Beladen auf, umstürmten links und rechts
Den silberweissen Schwan, und schüttelten
Und klatschten wüsten Schmutz -- wie aus der Ess'
Ein schwarzer Brodem wirbelt, und die Luft
Verdunkelt -- nieder auf den reinen Schwan.
Da wölkte sich sein blendendes Gewand,
Die Lilienweisse der gewölbten Brust.
Der klare Spiegel seiner Schwingen ward
Verdüstert, wie durch Tück' ein schön Gesicht,
Entadelt, wie ein Herz durch Bosheit wird.
Und heisser noch ob solcher Ungebühr
Ergrimmet, raffet' ich im Zorn mich auf.
Ich hob den Arm in die Unendlichkeit,
Zum Sitz des Ewigen den Flammenblick
Empor, und rief -- der Eichwald rief es nach:
"O Unschuld, Unschuld, hart fiel dir das Loos!
"O Himmel, Himmel, und du kennest sie,

Der Frevler rings um ihn, wie durch die Welt
Voll Bosheit eine gute Seele glänzt.

Deſs grollten ärger noch die Frevelnden,
Und neue Bosheit keimte, wuchs und reift',
Im Hui! in ihrer neidgeschwollnen Brust.
Sie brausten eilig zum verwandten Koth,
Sie tauchten unter in den zähen Schlamm,
Belasteten Schweif, Schnabel, Schwing' und Krall'
Mit ekelhafter Beute, rauschten schwer
Beladen auf, umstürmten links und rechts
Den silberweiſsen Schwan, und schüttelten
Und klatschten wüsten Schmutz — wie aus der Ess'
Ein schwarzer Brodem wirbelt, und die Luft
Verdunkelt — nieder auf den reinen Schwan.
Da wölkte sich sein blendendes Gewand,
Die Lilienweiſse der gewölbten Brust.
Der klare Spiegel seiner Schwingen ward
Verdüstert, wie durch Tück' ein schön Gesicht,
Entadelt, wie ein Herz durch Bosheit wird.
Und heiſser noch ob solcher Ungebühr
Ergrimmet, raffet' ich im Zorn mich auf.
Ich hob den Arm in die Unendlichkeit,
Zum Sitz des Ewigen den Flammenblick
Empor, und rief — der Eichwald rief es nach:
„O Unschuld, Unschuld, hart fiel dir das Loos!
„O Himmel, Himmel, und du kennest sie,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="5">
              <pb facs="#f0136" n="96"/>
              <l>Der Frevler rings um ihn, wie durch die Welt</l><lb/>
              <l>Voll Bosheit eine gute Seele glänzt.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>De&#x017F;s grollten ärger noch die Frevelnden,</l><lb/>
              <l>Und neue Bosheit keimte, wuchs und reift',</l><lb/>
              <l>Im Hui! in ihrer neidgeschwollnen Brust.</l><lb/>
              <l>Sie brausten eilig zum verwandten Koth,</l><lb/>
              <l>Sie tauchten unter in den zähen Schlamm,</l><lb/>
              <l>Belasteten Schweif, Schnabel, Schwing' und Krall'</l><lb/>
              <l>Mit ekelhafter Beute, rauschten schwer</l><lb/>
              <l>Beladen auf, umstürmten links und rechts</l><lb/>
              <l>Den silberwei&#x017F;sen Schwan, und schüttelten</l><lb/>
              <l>Und klatschten wüsten Schmutz &#x2014; wie aus der Ess'</l><lb/>
              <l>Ein schwarzer Brodem wirbelt, und die Luft</l><lb/>
              <l>Verdunkelt &#x2014; nieder auf den reinen Schwan.</l><lb/>
              <l>Da wölkte sich sein blendendes Gewand,</l><lb/>
              <l>Die Lilienwei&#x017F;se der gewölbten Brust.</l><lb/>
              <l>Der klare Spiegel seiner Schwingen ward</l><lb/>
              <l>Verdüstert, wie durch Tück' ein schön Gesicht,</l><lb/>
              <l>Entadelt, wie ein Herz durch Bosheit wird.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="7">
              <l>Und hei&#x017F;ser noch ob solcher Ungebühr</l><lb/>
              <l>Ergrimmet, raffet' ich im Zorn mich auf.</l><lb/>
              <l>Ich hob den Arm in die Unendlichkeit,</l><lb/>
              <l>Zum Sitz des Ewigen den Flammenblick</l><lb/>
              <l>Empor, und rief &#x2014; der Eichwald rief es nach:</l><lb/>
              <l>&#x201E;O Unschuld, Unschuld, hart fiel dir das Loos!</l><lb/>
              <l>&#x201E;O Himmel, Himmel, und du kennest sie,</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0136] Der Frevler rings um ihn, wie durch die Welt Voll Bosheit eine gute Seele glänzt. Deſs grollten ärger noch die Frevelnden, Und neue Bosheit keimte, wuchs und reift', Im Hui! in ihrer neidgeschwollnen Brust. Sie brausten eilig zum verwandten Koth, Sie tauchten unter in den zähen Schlamm, Belasteten Schweif, Schnabel, Schwing' und Krall' Mit ekelhafter Beute, rauschten schwer Beladen auf, umstürmten links und rechts Den silberweiſsen Schwan, und schüttelten Und klatschten wüsten Schmutz — wie aus der Ess' Ein schwarzer Brodem wirbelt, und die Luft Verdunkelt — nieder auf den reinen Schwan. Da wölkte sich sein blendendes Gewand, Die Lilienweiſse der gewölbten Brust. Der klare Spiegel seiner Schwingen ward Verdüstert, wie durch Tück' ein schön Gesicht, Entadelt, wie ein Herz durch Bosheit wird. Und heiſser noch ob solcher Ungebühr Ergrimmet, raffet' ich im Zorn mich auf. Ich hob den Arm in die Unendlichkeit, Zum Sitz des Ewigen den Flammenblick Empor, und rief — der Eichwald rief es nach: „O Unschuld, Unschuld, hart fiel dir das Loos! „O Himmel, Himmel, und du kennest sie,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798/136
Zitationshilfe: Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798/136>, abgerufen am 22.11.2024.