Kortum, Carl Arnold: Die Jobsiade. Bd. 3. Dortmund, 1799.4. Bei gewissen hochfeierlichen Gelegenheiten Pflegte er wohl bis zum halben Räuschlein zu schreiten, Aber er behielt doch immer den Verstand rein Stank übrigens nie nach Tobak und Brand- wein. 5. Auch war er kein Leckermaul noch Fresser, Sein Magen- und Mundbedürfnis war selten grösser Als Suppe, ein Sückchen Fleisch und Zu- gemüß Oder sonst wo 'ne Kleinigkeit zum Anbiß. 6. Die etwaigen Tafelüberflusse Hatten immer die Armen zum Genusse, Und diese hielten Jahr ein, Jahr aus Of'ne Tafel in seinem Vorhaus. 7. Besonders geschah dieses seit den Jahren, Als seine Mutter Schnaterin Todesverfahren; Denn die liebe, gute, seelige Frau War zuweilen etwas ängstlich und genau. 8. Hatte Er dann und wann selt'ne Leckerbissen, So pflegte Er selbst nur wenig davon zu geniessen, Sondern dürftige Krancken bekamen davon Meistens die grösseste Portion. 9. Ueberhaupt war er voll Mitleid und Erbarmen Für alle und jede Nothleidenden und Armen, Und
4. Bei gewiſſen hochfeierlichen Gelegenheiten Pflegte er wohl bis zum halben Raͤuſchlein zu ſchreiten, Aber er behielt doch immer den Verſtand rein Stank uͤbrigens nie nach Tobak und Brand- wein. 5. Auch war er kein Leckermaul noch Freſſer, Sein Magen- und Mundbeduͤrfnis war ſelten groͤſſer Als Suppe, ein Suͤckchen Fleiſch und Zu- gemuͤß Oder ſonſt wo ’ne Kleinigkeit zum Anbiß. 6. Die etwaigen Tafeluͤberfluſſe Hatten immer die Armen zum Genuſſe, Und dieſe hielten Jahr ein, Jahr aus Of’ne Tafel in ſeinem Vorhaus. 7. Beſonders geſchah dieſes ſeit den Jahren, Als ſeine Mutter Schnaterin Todesverfahren; Denn die liebe, gute, ſeelige Frau War zuweilen etwas aͤngſtlich und genau. 8. Hatte Er dann und wann ſelt’ne Leckerbiſſen, So pflegte Er ſelbſt nur wenig davon zu genieſſen, Sondern duͤrftige Krancken bekamen davon Meiſtens die groͤſſeſte Portion. 9. Ueberhaupt war er voll Mitleid und Erbarmen Fuͤr alle und jede Nothleidenden und Armen, Und
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4. Bei gewiſſen hochfeierlichen Gelegenheiten
Pflegte er wohl bis zum halben Raͤuſchlein zu
ſchreiten,
Aber er behielt doch immer den Verſtand
rein
Stank uͤbrigens nie nach Tobak und Brand-
wein.
5. Auch war er kein Leckermaul noch Freſſer,
Sein Magen- und Mundbeduͤrfnis war ſelten
groͤſſer
Als Suppe, ein Suͤckchen Fleiſch und Zu-
gemuͤß
Oder ſonſt wo ’ne Kleinigkeit zum Anbiß.
6. Die etwaigen Tafeluͤberfluſſe
Hatten immer die Armen zum Genuſſe,
Und dieſe hielten Jahr ein, Jahr aus
Of’ne Tafel in ſeinem Vorhaus.
7. Beſonders geſchah dieſes ſeit den Jahren,
Als ſeine Mutter Schnaterin Todesverfahren;
Denn die liebe, gute, ſeelige Frau
War zuweilen etwas aͤngſtlich und genau.
8. Hatte Er dann und wann ſelt’ne Leckerbiſſen,
So pflegte Er ſelbſt nur wenig davon zu genieſſen,
Sondern duͤrftige Krancken bekamen davon
Meiſtens die groͤſſeſte Portion.
9. Ueberhaupt war er voll Mitleid und Erbarmen
Fuͤr alle und jede Nothleidenden und Armen,
Und
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