noch als eine unerlaubte Pfuscherei in die gött- liche Vorsehung an. Ihre Gesichtsbildung blieb indessen unversehrt und sie konnte für ein hübches Lärvchen passiren.
Große Widerwärtigkeiten erlebte sie auch in ihrer Jugend nicht: denn die Eltern ließen ihr alles hingehen, wenn sie auch oftmals Scha- bernack anrichtete. Als sie 15 Jahre alt war und anfing sich zu fühlen, daß sie weiblichen Geschlechts sey, bekam sie doch einmal eine Tracht Prügel, die ihr gewiß, wegen den Pa- thos, womit sie aufgeladen wurden, im unge- segneten Andenken lebenslang bleiben werden; und zwar bei Gelegenheit: da der Vater eines jungen Menschen sie mit demselben des Abends spät auf dem Heuboden ertappte.
An Geistesgabe und natürlichem Verstande fehlte es ihr gar nicht. Sie konnte schon früh lügen, wie ein Kalenderdrucker, auch schwören, daß die Bäume hätten krachen mögen und es war pur unmöglich, daß sie über etwas hätte erröthen können. Sie versuchte es einmal als Kindermädchen zu dienen, fand aber diese Sklaverei bald unbequem, quittirte stillschwei- gend den Dienst, nahm einige Kleinigkeiten
noch als eine unerlaubte Pfuſcherei in die goͤtt- liche Vorſehung an. Ihre Geſichtsbildung blieb indeſſen unverſehrt und ſie konnte fuͤr ein huͤbches Laͤrvchen paſſiren.
Große Widerwaͤrtigkeiten erlebte ſie auch in ihrer Jugend nicht: denn die Eltern ließen ihr alles hingehen, wenn ſie auch oftmals Scha- bernack anrichtete. Als ſie 15 Jahre alt war und anfing ſich zu fuͤhlen, daß ſie weiblichen Geſchlechts ſey, bekam ſie doch einmal eine Tracht Pruͤgel, die ihr gewiß, wegen den Pa- thos, womit ſie aufgeladen wurden, im unge- ſegneten Andenken lebenslang bleiben werden; und zwar bei Gelegenheit: da der Vater eines jungen Menſchen ſie mit demſelben des Abends ſpaͤt auf dem Heuboden ertappte.
An Geiſtesgabe und natuͤrlichem Verſtande fehlte es ihr gar nicht. Sie konnte ſchon fruͤh luͤgen, wie ein Kalenderdrucker, auch ſchwoͤren, daß die Baͤume haͤtten krachen moͤgen und es war pur unmoͤglich, daß ſie uͤber etwas haͤtte erroͤthen koͤnnen. Sie verſuchte es einmal als Kindermaͤdchen zu dienen, fand aber dieſe Sklaverei bald unbequem, quittirte ſtillſchwei- gend den Dienſt, nahm einige Kleinigkeiten
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noch als eine unerlaubte Pfuſcherei in die goͤtt-
liche Vorſehung an. Ihre Geſichtsbildung
blieb indeſſen unverſehrt und ſie konnte fuͤr ein
huͤbches Laͤrvchen paſſiren.
Große Widerwaͤrtigkeiten erlebte ſie auch in
ihrer Jugend nicht: denn die Eltern ließen
ihr alles hingehen, wenn ſie auch oftmals Scha-
bernack anrichtete. Als ſie 15 Jahre alt war
und anfing ſich zu fuͤhlen, daß ſie weiblichen
Geſchlechts ſey, bekam ſie doch einmal eine
Tracht Pruͤgel, die ihr gewiß, wegen den Pa-
thos, womit ſie aufgeladen wurden, im unge-
ſegneten Andenken lebenslang bleiben werden;
und zwar bei Gelegenheit: da der Vater eines
jungen Menſchen ſie mit demſelben des Abends
ſpaͤt auf dem Heuboden ertappte.
An Geiſtesgabe und natuͤrlichem Verſtande
fehlte es ihr gar nicht. Sie konnte ſchon fruͤh
luͤgen, wie ein Kalenderdrucker, auch ſchwoͤren,
daß die Baͤume haͤtten krachen moͤgen und es
war pur unmoͤglich, daß ſie uͤber etwas haͤtte
erroͤthen koͤnnen. Sie verſuchte es einmal als
Kindermaͤdchen zu dienen, fand aber dieſe
Sklaverei bald unbequem, quittirte ſtillſchwei-
gend den Dienſt, nahm einige Kleinigkeiten
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Kortum, Carl Arnold: Die Jobsiade. Bd. 3. Dortmund, 1799, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kortum_jobsiade03_1799/218>, abgerufen am 17.02.2025.
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