Es werden in unsern Tagen so viele Geschichten von Somnambülen mündlich und schriftlich auf- getischt, daß einem der Appetit vergeht. In ehemaligen Zeiten hat man kaum etwas davon gewußt und man würde solche gewiß auch nicht geglaubt haben. Unserm aufgeklärten Jahr- hundert aber ist es aufbehalten sie größtentheils zu glauben. Auch ist die Anatomie und Phy- siologie durch manche neue Entdeckung bereichert worden, welche man vorher nicht geahnet hätte.
Wer hätte es vermuthet, daßsich im menschli- chen Körper, den doch unsere Kunstverständigen so gut innerlich und äusserlich zu kennen sich be- rühmen, noch Organe befinden, deren Existenz bisher ihrer Aufmerksamkeit entgangen war, ver- mittelst welchen man ohne Augen, Ohren, Na- se und Zunge, sehen, hören, riechen und
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Einleitung.
Es werden in unſern Tagen ſo viele Geſchichten von Somnambuͤlen muͤndlich und ſchriftlich auf- getiſcht, daß einem der Appetit vergeht. In ehemaligen Zeiten hat man kaum etwas davon gewußt und man wuͤrde ſolche gewiß auch nicht geglaubt haben. Unſerm aufgeklaͤrten Jahr- hundert aber iſt es aufbehalten ſie groͤßtentheils zu glauben. Auch iſt die Anatomie und Phy- ſiologie durch manche neue Entdeckung bereichert worden, welche man vorher nicht geahnet haͤtte.
Wer haͤtte es vermuthet, daßſich im menſchli- chen Koͤrper, den doch unſere Kunſtverſtaͤndigen ſo gut innerlich und aͤuſſerlich zu kennen ſich be- ruͤhmen, noch Organe befinden, deren Exiſtenz bisher ihrer Aufmerkſamkeit entgangen war, ver- mittelſt welchen man ohne Augen, Ohren, Na- ſe und Zunge, ſehen, hoͤren, riechen und
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Einleitung.
Es werden in unſern Tagen ſo viele Geſchichten
von Somnambuͤlen muͤndlich und ſchriftlich auf-
getiſcht, daß einem der Appetit vergeht. In
ehemaligen Zeiten hat man kaum etwas davon
gewußt und man wuͤrde ſolche gewiß auch nicht
geglaubt haben. Unſerm aufgeklaͤrten Jahr-
hundert aber iſt es aufbehalten ſie groͤßtentheils
zu glauben. Auch iſt die Anatomie und Phy-
ſiologie durch manche neue Entdeckung bereichert
worden, welche man vorher nicht geahnet haͤtte.
Wer haͤtte es vermuthet, daßſich im menſchli-
chen Koͤrper, den doch unſere Kunſtverſtaͤndigen
ſo gut innerlich und aͤuſſerlich zu kennen ſich be-
ruͤhmen, noch Organe befinden, deren Exiſtenz
bisher ihrer Aufmerkſamkeit entgangen war, ver-
mittelſt welchen man ohne Augen, Ohren, Na-
ſe und Zunge, ſehen, hoͤren, riechen und
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Kortum, Carl Arnold: Die Jobsiade. Bd. 3. Dortmund, 1799, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kortum_jobsiade03_1799/209>, abgerufen am 28.06.2024.
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