Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kortum, Carl Arnold: Die Jobsiade. Bd. 1. Dortmund, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite
32. Es kam aber kein Mann von hohem Stande,
Der mich zur Frau zu machen rathsam befande,
Mir wurde indessen dabei recht bang,
Denn die Verzög'rung fiel mir zu lang.
33. Ich suchte also und dergestalten
Mich anderweitig schadenfrei zu halten,
Und ließ zum geheimen Rendezvous
Manchen jungen artigen Herrn zu.
34. Aus Furcht, etwas Schlimmes zu erleben
Und daß es künftig möchte geben
In meiner Heirath ein Hinderniß,
Wenn sie mir zu viel Freiheit ließ,
35. Fing die Mutter an ernstlich drauf zu denken,
Meine Liebesstreiche einzuschrenken,
Und gab sowohl bei Tag, als bei Nacht,
Auf meine Schritte und Tritte Acht.
36. Ward nun gleich dadurch meine Neigung ge-
hindert,
So ward sie doch mehr vermehrt als vermin-
dert,
Denn eine stark verbotene Frucht
Wird nur desto emsiger gesucht,
37. Und je größer Hinderniß, je mehr Verlangen.
So ist es auch mit meiner Neigung gegangen,
Denn ich suchte zu jeder Zeit
Sie zu befriedigen Gelegenheit.
38. Des
Jobsiade 1r Th. L
32. Es kam aber kein Mann von hohem Stande,
Der mich zur Frau zu machen rathſam befande,
Mir wurde indeſſen dabei recht bang,
Denn die Verzoͤg’rung fiel mir zu lang.
33. Ich ſuchte alſo und dergeſtalten
Mich anderweitig ſchadenfrei zu halten,
Und ließ zum geheimen Rendezvous
Manchen jungen artigen Herrn zu.
34. Aus Furcht, etwas Schlimmes zu erleben
Und daß es kuͤnftig moͤchte geben
In meiner Heirath ein Hinderniß,
Wenn ſie mir zu viel Freiheit ließ,
35. Fing die Mutter an ernſtlich drauf zu denken,
Meine Liebesſtreiche einzuſchrenken,
Und gab ſowohl bei Tag, als bei Nacht,
Auf meine Schritte und Tritte Acht.
36. Ward nun gleich dadurch meine Neigung ge-
hindert,
So ward ſie doch mehr vermehrt als vermin-
dert,
Denn eine ſtark verbotene Frucht
Wird nur deſto emſiger geſucht,
37. Und je groͤßer Hinderniß, je mehr Verlangen.
So iſt es auch mit meiner Neigung gegangen,
Denn ich ſuchte zu jeder Zeit
Sie zu befriedigen Gelegenheit.
38. Des
Jobſiade 1r Th. L
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0185" n="161"/>
          <lg n="32">
            <l>32. Es kam aber kein Mann von hohem Stande,</l><lb/>
            <l>Der mich zur Frau zu machen rath&#x017F;am befande,</l><lb/>
            <l>Mir wurde inde&#x017F;&#x017F;en dabei recht bang,</l><lb/>
            <l>Denn die Verzo&#x0364;g&#x2019;rung fiel mir zu lang.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="33">
            <l>33. Ich &#x017F;uchte al&#x017F;o und derge&#x017F;talten</l><lb/>
            <l>Mich anderweitig &#x017F;chadenfrei zu halten,</l><lb/>
            <l>Und ließ zum geheimen Rendezvous</l><lb/>
            <l>Manchen jungen artigen Herrn zu.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="34">
            <l>34. Aus Furcht, etwas Schlimmes zu erleben</l><lb/>
            <l>Und daß es ku&#x0364;nftig mo&#x0364;chte geben</l><lb/>
            <l>In meiner Heirath ein Hinderniß,</l><lb/>
            <l>Wenn &#x017F;ie mir zu viel Freiheit ließ,</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="35">
            <l>35. Fing die Mutter an ern&#x017F;tlich drauf zu denken,</l><lb/>
            <l>Meine Liebes&#x017F;treiche einzu&#x017F;chrenken,</l><lb/>
            <l>Und gab &#x017F;owohl bei Tag, als bei Nacht,</l><lb/>
            <l>Auf meine Schritte und Tritte Acht.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="36">
            <l>36. Ward nun gleich dadurch meine Neigung ge-</l><lb/>
            <l>hindert,</l><lb/>
            <l>So ward &#x017F;ie doch mehr vermehrt als vermin-</l><lb/>
            <l>dert,</l><lb/>
            <l>Denn eine &#x017F;tark verbotene Frucht</l><lb/>
            <l>Wird nur de&#x017F;to em&#x017F;iger ge&#x017F;ucht,</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="37">
            <l>37. Und je gro&#x0364;ßer Hinderniß, je mehr Verlangen.</l><lb/>
            <l>So i&#x017F;t es auch mit meiner Neigung gegangen,</l><lb/>
            <l>Denn ich &#x017F;uchte zu jeder Zeit</l><lb/>
            <l>Sie zu befriedigen Gelegenheit.</l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">Job&#x017F;iade 1r Th. L</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">38. Des</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[161/0185] 32. Es kam aber kein Mann von hohem Stande, Der mich zur Frau zu machen rathſam befande, Mir wurde indeſſen dabei recht bang, Denn die Verzoͤg’rung fiel mir zu lang. 33. Ich ſuchte alſo und dergeſtalten Mich anderweitig ſchadenfrei zu halten, Und ließ zum geheimen Rendezvous Manchen jungen artigen Herrn zu. 34. Aus Furcht, etwas Schlimmes zu erleben Und daß es kuͤnftig moͤchte geben In meiner Heirath ein Hinderniß, Wenn ſie mir zu viel Freiheit ließ, 35. Fing die Mutter an ernſtlich drauf zu denken, Meine Liebesſtreiche einzuſchrenken, Und gab ſowohl bei Tag, als bei Nacht, Auf meine Schritte und Tritte Acht. 36. Ward nun gleich dadurch meine Neigung ge- hindert, So ward ſie doch mehr vermehrt als vermin- dert, Denn eine ſtark verbotene Frucht Wird nur deſto emſiger geſucht, 37. Und je groͤßer Hinderniß, je mehr Verlangen. So iſt es auch mit meiner Neigung gegangen, Denn ich ſuchte zu jeder Zeit Sie zu befriedigen Gelegenheit. 38. Des Jobſiade 1r Th. L

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kortum_jobsiade01_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kortum_jobsiade01_1799/185
Zitationshilfe: Kortum, Carl Arnold: Die Jobsiade. Bd. 1. Dortmund, 1799, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kortum_jobsiade01_1799/185>, abgerufen am 22.11.2024.