Kopisch, August: Der Träumer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–67. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.meinem Hause, darum wird euch weder Speise noch Trank gereicht. Ein andermal sollt ihr mir herzlich willkommen sein. Mit solchen Reden entließ Don Strintillo für diesen Tag die beiden Freier. Don Granco fand Alles sehr natürlich und blieb, im Vertrauen auf seinen sechsmal vortrefflichen Traum, so glücklich als vorher. Aber Giovanni gerieth, als er das Haus verlassen, über den abergläubischen Strintillo ganz außer sich, und als er ins Freie kam, rief er zum blauen Himmel empor: Wenn das Schicksal eines Wesens wie Angiolina an Strintillo's albernen Träumen hängt, was soll aus ihr, was soll aus mir werden! Lieber himmlischer Vater, erhelle doch die Augen des Alten, daß er die Tochter nicht auf ewig unglücklich macht, thue seinen Sinn auf über seine Thorheiten, oder willst du ihn nicht umschaffen, sende ihm wenigstens einen Traum, worin Angiolina ihm um den Hals fällt und ihn bittet, mich zu nehmen; oder wie du sonst seinen Willen lenken willst, denn du vermagst ja Alles und Jedes, wie deine Weisheit es für gut findet! -- Dieser letzte Gedanke machte Giovanni etwas ruhiger. Langsam schlich er zurück unter Angiolinens Fenster und flüsterte die traurige Botschaft hinauf. Angiolinchen, obwohl selbst erschrocken, suchte seine Sorgen zu beschwichtigen, und sagte zu ihm: Lieber Giovanni, tröste dich, mein Vater hat dich lieb, wir wollen Gutes hoffen, gehe nach deinem Weinberge und meinem Hause, darum wird euch weder Speise noch Trank gereicht. Ein andermal sollt ihr mir herzlich willkommen sein. Mit solchen Reden entließ Don Strintillo für diesen Tag die beiden Freier. Don Granco fand Alles sehr natürlich und blieb, im Vertrauen auf seinen sechsmal vortrefflichen Traum, so glücklich als vorher. Aber Giovanni gerieth, als er das Haus verlassen, über den abergläubischen Strintillo ganz außer sich, und als er ins Freie kam, rief er zum blauen Himmel empor: Wenn das Schicksal eines Wesens wie Angiolina an Strintillo's albernen Träumen hängt, was soll aus ihr, was soll aus mir werden! Lieber himmlischer Vater, erhelle doch die Augen des Alten, daß er die Tochter nicht auf ewig unglücklich macht, thue seinen Sinn auf über seine Thorheiten, oder willst du ihn nicht umschaffen, sende ihm wenigstens einen Traum, worin Angiolina ihm um den Hals fällt und ihn bittet, mich zu nehmen; oder wie du sonst seinen Willen lenken willst, denn du vermagst ja Alles und Jedes, wie deine Weisheit es für gut findet! — Dieser letzte Gedanke machte Giovanni etwas ruhiger. Langsam schlich er zurück unter Angiolinens Fenster und flüsterte die traurige Botschaft hinauf. Angiolinchen, obwohl selbst erschrocken, suchte seine Sorgen zu beschwichtigen, und sagte zu ihm: Lieber Giovanni, tröste dich, mein Vater hat dich lieb, wir wollen Gutes hoffen, gehe nach deinem Weinberge und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0016"/> meinem Hause, darum wird euch weder Speise noch Trank gereicht. Ein andermal sollt ihr mir herzlich willkommen sein.</p><lb/> <p>Mit solchen Reden entließ Don Strintillo für diesen Tag die beiden Freier. Don Granco fand Alles sehr natürlich und blieb, im Vertrauen auf seinen sechsmal vortrefflichen Traum, so glücklich als vorher. Aber Giovanni gerieth, als er das Haus verlassen, über den abergläubischen Strintillo ganz außer sich, und als er ins Freie kam, rief er zum blauen Himmel empor: Wenn das Schicksal eines Wesens wie Angiolina an Strintillo's albernen Träumen hängt, was soll aus ihr, was soll aus mir werden! Lieber himmlischer Vater, erhelle doch die Augen des Alten, daß er die Tochter nicht auf ewig unglücklich macht, thue seinen Sinn auf über seine Thorheiten, oder willst du ihn nicht umschaffen, sende ihm wenigstens einen Traum, worin Angiolina ihm um den Hals fällt und ihn bittet, mich zu nehmen; oder wie du sonst seinen Willen lenken willst, denn du vermagst ja Alles und Jedes, wie deine Weisheit es für gut findet! — Dieser letzte Gedanke machte Giovanni etwas ruhiger. Langsam schlich er zurück unter Angiolinens Fenster und flüsterte die traurige Botschaft hinauf. Angiolinchen, obwohl selbst erschrocken, suchte seine Sorgen zu beschwichtigen, und sagte zu ihm: Lieber Giovanni, tröste dich, mein Vater hat dich lieb, wir wollen Gutes hoffen, gehe nach deinem Weinberge und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0016]
meinem Hause, darum wird euch weder Speise noch Trank gereicht. Ein andermal sollt ihr mir herzlich willkommen sein.
Mit solchen Reden entließ Don Strintillo für diesen Tag die beiden Freier. Don Granco fand Alles sehr natürlich und blieb, im Vertrauen auf seinen sechsmal vortrefflichen Traum, so glücklich als vorher. Aber Giovanni gerieth, als er das Haus verlassen, über den abergläubischen Strintillo ganz außer sich, und als er ins Freie kam, rief er zum blauen Himmel empor: Wenn das Schicksal eines Wesens wie Angiolina an Strintillo's albernen Träumen hängt, was soll aus ihr, was soll aus mir werden! Lieber himmlischer Vater, erhelle doch die Augen des Alten, daß er die Tochter nicht auf ewig unglücklich macht, thue seinen Sinn auf über seine Thorheiten, oder willst du ihn nicht umschaffen, sende ihm wenigstens einen Traum, worin Angiolina ihm um den Hals fällt und ihn bittet, mich zu nehmen; oder wie du sonst seinen Willen lenken willst, denn du vermagst ja Alles und Jedes, wie deine Weisheit es für gut findet! — Dieser letzte Gedanke machte Giovanni etwas ruhiger. Langsam schlich er zurück unter Angiolinens Fenster und flüsterte die traurige Botschaft hinauf. Angiolinchen, obwohl selbst erschrocken, suchte seine Sorgen zu beschwichtigen, und sagte zu ihm: Lieber Giovanni, tröste dich, mein Vater hat dich lieb, wir wollen Gutes hoffen, gehe nach deinem Weinberge und
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