Kopisch, August: Ein Carnevalsfest auf Ischia. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–62. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.mochte, völlig auszupften. Sodann trugen sie ihn mit großem Gepränge herum, setzten ihn auf einen Thron und nannten ihn Kahlkopfkönig. Trotz alle dem verlor er die gute Laune nicht, und hatte er vorher die Leute mit seinem Witze geneckt, so that er es jetzt als König noch weit verwegener und stolzer und war im Reimen ganz unerschöpflich. Immer lustiger und allgemeiner ward das Treiben. Endlich kamen auch die Frauen vieler Anwesenden, in Masken, zu sehen, was ihre Männer eigentlich vorhätten, und um sie tüchtig zu necken. Da gab es denn manche sehr drollige Scene, besonders wenn der Kahlkopfkönig sich mit seinem Spotte darein mischte, über welchen sich die Frauen todt lachen wollten. Don Antonio, dessen Nachbarn ebenfalls mit ihren Frauen scherzten, ward davon zuerst herzlich erfreut; er verlor sich aber darüber nach und nach in Gedanken an sich selbst und war fast ein wenig traurig, -- als eine sehr natürlich nachgebildete Maske mit langem Stabe zu ihm herangewankt kam. Es war ein betagter Eremit mit langem weißem Barte, welchem die greisen Glieder so heftig erzitterten, daß Don Antonio ihm, als er sich auf den Stuhl ihm zur Seite niederließ, fast unwillkürlich beistehen mußte. Sobald der Alte sich, wie es schien, ein wenig erholt hatte, begann er mit tremulirender Stimme zu Don Antonio: Mein theurer Don Antonio, mich will es fast wundern, daß Ihr so ernsthaft darein sehet bei diesem fröhlichen Feste, da es doch selbst mich Abge- mochte, völlig auszupften. Sodann trugen sie ihn mit großem Gepränge herum, setzten ihn auf einen Thron und nannten ihn Kahlkopfkönig. Trotz alle dem verlor er die gute Laune nicht, und hatte er vorher die Leute mit seinem Witze geneckt, so that er es jetzt als König noch weit verwegener und stolzer und war im Reimen ganz unerschöpflich. Immer lustiger und allgemeiner ward das Treiben. Endlich kamen auch die Frauen vieler Anwesenden, in Masken, zu sehen, was ihre Männer eigentlich vorhätten, und um sie tüchtig zu necken. Da gab es denn manche sehr drollige Scene, besonders wenn der Kahlkopfkönig sich mit seinem Spotte darein mischte, über welchen sich die Frauen todt lachen wollten. Don Antonio, dessen Nachbarn ebenfalls mit ihren Frauen scherzten, ward davon zuerst herzlich erfreut; er verlor sich aber darüber nach und nach in Gedanken an sich selbst und war fast ein wenig traurig, — als eine sehr natürlich nachgebildete Maske mit langem Stabe zu ihm herangewankt kam. Es war ein betagter Eremit mit langem weißem Barte, welchem die greisen Glieder so heftig erzitterten, daß Don Antonio ihm, als er sich auf den Stuhl ihm zur Seite niederließ, fast unwillkürlich beistehen mußte. Sobald der Alte sich, wie es schien, ein wenig erholt hatte, begann er mit tremulirender Stimme zu Don Antonio: Mein theurer Don Antonio, mich will es fast wundern, daß Ihr so ernsthaft darein sehet bei diesem fröhlichen Feste, da es doch selbst mich Abge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0058"/> mochte, völlig auszupften. Sodann trugen sie ihn mit großem Gepränge herum, setzten ihn auf einen Thron und nannten ihn Kahlkopfkönig. Trotz alle dem verlor er die gute Laune nicht, und hatte er vorher die Leute mit seinem Witze geneckt, so that er es jetzt als König noch weit verwegener und stolzer und war im Reimen ganz unerschöpflich.</p><lb/> <p>Immer lustiger und allgemeiner ward das Treiben. Endlich kamen auch die Frauen vieler Anwesenden, in Masken, zu sehen, was ihre Männer eigentlich vorhätten, und um sie tüchtig zu necken. Da gab es denn manche sehr drollige Scene, besonders wenn der Kahlkopfkönig sich mit seinem Spotte darein mischte, über welchen sich die Frauen todt lachen wollten. Don Antonio, dessen Nachbarn ebenfalls mit ihren Frauen scherzten, ward davon zuerst herzlich erfreut; er verlor sich aber darüber nach und nach in Gedanken an sich selbst und war fast ein wenig traurig, — als eine sehr natürlich nachgebildete Maske mit langem Stabe zu ihm herangewankt kam. Es war ein betagter Eremit mit langem weißem Barte, welchem die greisen Glieder so heftig erzitterten, daß Don Antonio ihm, als er sich auf den Stuhl ihm zur Seite niederließ, fast unwillkürlich beistehen mußte. Sobald der Alte sich, wie es schien, ein wenig erholt hatte, begann er mit tremulirender Stimme zu Don Antonio: Mein theurer Don Antonio, mich will es fast wundern, daß Ihr so ernsthaft darein sehet bei diesem fröhlichen Feste, da es doch selbst mich Abge-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0058]
mochte, völlig auszupften. Sodann trugen sie ihn mit großem Gepränge herum, setzten ihn auf einen Thron und nannten ihn Kahlkopfkönig. Trotz alle dem verlor er die gute Laune nicht, und hatte er vorher die Leute mit seinem Witze geneckt, so that er es jetzt als König noch weit verwegener und stolzer und war im Reimen ganz unerschöpflich.
Immer lustiger und allgemeiner ward das Treiben. Endlich kamen auch die Frauen vieler Anwesenden, in Masken, zu sehen, was ihre Männer eigentlich vorhätten, und um sie tüchtig zu necken. Da gab es denn manche sehr drollige Scene, besonders wenn der Kahlkopfkönig sich mit seinem Spotte darein mischte, über welchen sich die Frauen todt lachen wollten. Don Antonio, dessen Nachbarn ebenfalls mit ihren Frauen scherzten, ward davon zuerst herzlich erfreut; er verlor sich aber darüber nach und nach in Gedanken an sich selbst und war fast ein wenig traurig, — als eine sehr natürlich nachgebildete Maske mit langem Stabe zu ihm herangewankt kam. Es war ein betagter Eremit mit langem weißem Barte, welchem die greisen Glieder so heftig erzitterten, daß Don Antonio ihm, als er sich auf den Stuhl ihm zur Seite niederließ, fast unwillkürlich beistehen mußte. Sobald der Alte sich, wie es schien, ein wenig erholt hatte, begann er mit tremulirender Stimme zu Don Antonio: Mein theurer Don Antonio, mich will es fast wundern, daß Ihr so ernsthaft darein sehet bei diesem fröhlichen Feste, da es doch selbst mich Abge-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_karnevalfest_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_karnevalfest_1910/58 |
Zitationshilfe: | Kopisch, August: Ein Carnevalsfest auf Ischia. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–62. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_karnevalfest_1910/58>, abgerufen am 16.02.2025. |