Kopisch, August: Ein Carnevalsfest auf Ischia. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–62. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Seite bestimmt. Er stand nun auf und ging überall umher, ihn von Neuem zu suchen. Vergeblich: er war verschwunden. Aber als der freundliche Wirth so durch die langen Säle ging, ward ihm von allen Seiten freundlich zugenickt und zugetrunken. Da saß mancher arme, alte, ehrliche Mann an dem Tische, dem es sein ganzes Leben lang noch nicht so gut geworden war, und letzte den alten Gaumen an den trefflichen Speisen, und der Duft des köstlichen Weines wob süße Träume um seine Sorgen, daß er wie mit fremden Backen in die Welt hineinlachte. Darüber freute sich der brave Don Carlo von Herzen. Auch war es wirklich schön, zu sehen, welche reine, heitere Fröhlichkeit überall verbreitet war. Selbst als die Lust etwas ausgelassener wurde, ward kein Scherz übelgedeutet. Die Tugend des Wirths hatte sich über die Gäste ergossen. Auf und ab in allen Sälen tanzten verschiedene Reimer, welche sich in neckenden Versen auf die Anwesenden zu übertreffen suchten. Besonders zeichnete sich ein rechter Kahlkopf, Namens Bennardo, aus, ein Schiffer, den man gern auf allen Barken wie einen Ruderer bezahlte; obwohl er sein Ruder nur obenhin einzutauchen pflegte, so verstand er doch so lustige Lieder zu singen, daß die Uebrigen ihrer Plage ganz vergaßen und um so schneller ruderten. Dieser war an jenem Abende so übermüthig mit Neckereien, daß ihn zuletzt etliche lustige Vögel, die er zu sehr geneckt, mit Gewalt ergriffen, und ihm die zwanzig dreißig Haare, die er noch haben Seite bestimmt. Er stand nun auf und ging überall umher, ihn von Neuem zu suchen. Vergeblich: er war verschwunden. Aber als der freundliche Wirth so durch die langen Säle ging, ward ihm von allen Seiten freundlich zugenickt und zugetrunken. Da saß mancher arme, alte, ehrliche Mann an dem Tische, dem es sein ganzes Leben lang noch nicht so gut geworden war, und letzte den alten Gaumen an den trefflichen Speisen, und der Duft des köstlichen Weines wob süße Träume um seine Sorgen, daß er wie mit fremden Backen in die Welt hineinlachte. Darüber freute sich der brave Don Carlo von Herzen. Auch war es wirklich schön, zu sehen, welche reine, heitere Fröhlichkeit überall verbreitet war. Selbst als die Lust etwas ausgelassener wurde, ward kein Scherz übelgedeutet. Die Tugend des Wirths hatte sich über die Gäste ergossen. Auf und ab in allen Sälen tanzten verschiedene Reimer, welche sich in neckenden Versen auf die Anwesenden zu übertreffen suchten. Besonders zeichnete sich ein rechter Kahlkopf, Namens Bennardo, aus, ein Schiffer, den man gern auf allen Barken wie einen Ruderer bezahlte; obwohl er sein Ruder nur obenhin einzutauchen pflegte, so verstand er doch so lustige Lieder zu singen, daß die Uebrigen ihrer Plage ganz vergaßen und um so schneller ruderten. Dieser war an jenem Abende so übermüthig mit Neckereien, daß ihn zuletzt etliche lustige Vögel, die er zu sehr geneckt, mit Gewalt ergriffen, und ihm die zwanzig dreißig Haare, die er noch haben <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0057"/> Seite bestimmt. Er stand nun auf und ging überall umher, ihn von Neuem zu suchen. Vergeblich: er war verschwunden.</p><lb/> <p>Aber als der freundliche Wirth so durch die langen Säle ging, ward ihm von allen Seiten freundlich zugenickt und zugetrunken. Da saß mancher arme, alte, ehrliche Mann an dem Tische, dem es sein ganzes Leben lang noch nicht so gut geworden war, und letzte den alten Gaumen an den trefflichen Speisen, und der Duft des köstlichen Weines wob süße Träume um seine Sorgen, daß er wie mit fremden Backen in die Welt hineinlachte. Darüber freute sich der brave Don Carlo von Herzen. Auch war es wirklich schön, zu sehen, welche reine, heitere Fröhlichkeit überall verbreitet war. Selbst als die Lust etwas ausgelassener wurde, ward kein Scherz übelgedeutet. Die Tugend des Wirths hatte sich über die Gäste ergossen. Auf und ab in allen Sälen tanzten verschiedene Reimer, welche sich in neckenden Versen auf die Anwesenden zu übertreffen suchten. Besonders zeichnete sich ein rechter Kahlkopf, Namens Bennardo, aus, ein Schiffer, den man gern auf allen Barken wie einen Ruderer bezahlte; obwohl er sein Ruder nur obenhin einzutauchen pflegte, so verstand er doch so lustige Lieder zu singen, daß die Uebrigen ihrer Plage ganz vergaßen und um so schneller ruderten. Dieser war an jenem Abende so übermüthig mit Neckereien, daß ihn zuletzt etliche lustige Vögel, die er zu sehr geneckt, mit Gewalt ergriffen, und ihm die zwanzig dreißig Haare, die er noch haben<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0057]
Seite bestimmt. Er stand nun auf und ging überall umher, ihn von Neuem zu suchen. Vergeblich: er war verschwunden.
Aber als der freundliche Wirth so durch die langen Säle ging, ward ihm von allen Seiten freundlich zugenickt und zugetrunken. Da saß mancher arme, alte, ehrliche Mann an dem Tische, dem es sein ganzes Leben lang noch nicht so gut geworden war, und letzte den alten Gaumen an den trefflichen Speisen, und der Duft des köstlichen Weines wob süße Träume um seine Sorgen, daß er wie mit fremden Backen in die Welt hineinlachte. Darüber freute sich der brave Don Carlo von Herzen. Auch war es wirklich schön, zu sehen, welche reine, heitere Fröhlichkeit überall verbreitet war. Selbst als die Lust etwas ausgelassener wurde, ward kein Scherz übelgedeutet. Die Tugend des Wirths hatte sich über die Gäste ergossen. Auf und ab in allen Sälen tanzten verschiedene Reimer, welche sich in neckenden Versen auf die Anwesenden zu übertreffen suchten. Besonders zeichnete sich ein rechter Kahlkopf, Namens Bennardo, aus, ein Schiffer, den man gern auf allen Barken wie einen Ruderer bezahlte; obwohl er sein Ruder nur obenhin einzutauchen pflegte, so verstand er doch so lustige Lieder zu singen, daß die Uebrigen ihrer Plage ganz vergaßen und um so schneller ruderten. Dieser war an jenem Abende so übermüthig mit Neckereien, daß ihn zuletzt etliche lustige Vögel, die er zu sehr geneckt, mit Gewalt ergriffen, und ihm die zwanzig dreißig Haare, die er noch haben
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Zitationshilfe: | Kopisch, August: Ein Carnevalsfest auf Ischia. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–62. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_karnevalfest_1910/57>, abgerufen am 16.08.2024. |