Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kopisch, August: Ein Carnevalsfest auf Ischia. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–62. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

welcher Weise wollte das nicht gern thun -- lasset uns besonders jene Wesen liebreich in Betracht ziehen, welche das längste Haar zu tragen pflegen, nämlich die Frauen und Mädchen. Lassen wir gegen dieselben von unsrem Stolze, nehmen wir sie freundlich auf in die Arme unserer Weisheit, und schämen wir uns nicht mit dem anmuthigen Geringel ihrer Locken zu spielen und zu tändeln; denn die Weisheit verlangt vor allen Dingen Gütigkeit und Herablassung.

Nach diesen Worten fiel der Vorhang wieder herab um Pythagoras, und Bias, dem er einen Esel gebohrt, erhob sich und wollte reden; was er aber sagen wollte, bekam Niemand zu hören; denn zu derselben Zeit vernahm man aus den andern Sälen einen Lärm, der immer näher und näher kam und am Ende die sieben Weisen aus ihren Rollen brachte. Selbst Pythagoras kam hinter seinem Vorhänge hervor und fragte, was es gebe. Da riefen einige Stimmen von außen: ganz in der Nähe des Ufers sähe man ein Fahrzeug in großer Noth des Sturmes; bei der dicken Finsterniß vermöge man nicht einmal zu erkennen, ob es nicht schon an den vorliegenden Klippen gestrandet.

Da warf Don Antonio seinen Mantel hin und sprang hinaus, Freund Pythagoras that ein Gleiches, und bald standen sie an dem schwarzen Lavaufer, zu welchem die See mit furchtbarer Gewalt herauftobte. Hinter ihnen sammelten sich fast alle Genossen des Festes in ihren bunten Masken. Das Meer leuchtete

welcher Weise wollte das nicht gern thun — lasset uns besonders jene Wesen liebreich in Betracht ziehen, welche das längste Haar zu tragen pflegen, nämlich die Frauen und Mädchen. Lassen wir gegen dieselben von unsrem Stolze, nehmen wir sie freundlich auf in die Arme unserer Weisheit, und schämen wir uns nicht mit dem anmuthigen Geringel ihrer Locken zu spielen und zu tändeln; denn die Weisheit verlangt vor allen Dingen Gütigkeit und Herablassung.

Nach diesen Worten fiel der Vorhang wieder herab um Pythagoras, und Bias, dem er einen Esel gebohrt, erhob sich und wollte reden; was er aber sagen wollte, bekam Niemand zu hören; denn zu derselben Zeit vernahm man aus den andern Sälen einen Lärm, der immer näher und näher kam und am Ende die sieben Weisen aus ihren Rollen brachte. Selbst Pythagoras kam hinter seinem Vorhänge hervor und fragte, was es gebe. Da riefen einige Stimmen von außen: ganz in der Nähe des Ufers sähe man ein Fahrzeug in großer Noth des Sturmes; bei der dicken Finsterniß vermöge man nicht einmal zu erkennen, ob es nicht schon an den vorliegenden Klippen gestrandet.

Da warf Don Antonio seinen Mantel hin und sprang hinaus, Freund Pythagoras that ein Gleiches, und bald standen sie an dem schwarzen Lavaufer, zu welchem die See mit furchtbarer Gewalt herauftobte. Hinter ihnen sammelten sich fast alle Genossen des Festes in ihren bunten Masken. Das Meer leuchtete

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0042"/>
welcher Weise wollte das nicht gern thun &#x2014; lasset uns besonders                jene Wesen liebreich in Betracht ziehen, welche das längste Haar zu tragen pflegen,                nämlich die Frauen und Mädchen. Lassen wir gegen dieselben von unsrem Stolze, nehmen                wir sie freundlich auf in die Arme unserer Weisheit, und schämen wir uns nicht mit                dem anmuthigen Geringel ihrer Locken zu spielen und zu tändeln; denn die Weisheit                verlangt vor allen Dingen Gütigkeit und Herablassung.</p><lb/>
        <p>Nach diesen Worten fiel der Vorhang wieder herab um Pythagoras, und Bias, dem er                einen Esel gebohrt, erhob sich und wollte reden; was er aber sagen wollte, bekam                Niemand zu hören; denn zu derselben Zeit vernahm man aus den andern Sälen einen Lärm,                der immer näher und näher kam und am Ende die sieben Weisen aus ihren Rollen brachte.                Selbst Pythagoras kam hinter seinem Vorhänge hervor und fragte, was es gebe. Da                riefen einige Stimmen von außen: ganz in der Nähe des Ufers sähe man ein Fahrzeug in                großer Noth des Sturmes; bei der dicken Finsterniß vermöge man nicht einmal zu                erkennen, ob es nicht schon an den vorliegenden Klippen gestrandet.</p><lb/>
        <p>Da warf Don Antonio seinen Mantel hin und sprang hinaus, Freund Pythagoras that ein                Gleiches, und bald standen sie an dem schwarzen Lavaufer, zu welchem die See mit                furchtbarer Gewalt herauftobte. Hinter ihnen sammelten sich fast alle Genossen des                Festes in ihren bunten Masken. Das Meer leuchtete<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0042] welcher Weise wollte das nicht gern thun — lasset uns besonders jene Wesen liebreich in Betracht ziehen, welche das längste Haar zu tragen pflegen, nämlich die Frauen und Mädchen. Lassen wir gegen dieselben von unsrem Stolze, nehmen wir sie freundlich auf in die Arme unserer Weisheit, und schämen wir uns nicht mit dem anmuthigen Geringel ihrer Locken zu spielen und zu tändeln; denn die Weisheit verlangt vor allen Dingen Gütigkeit und Herablassung. Nach diesen Worten fiel der Vorhang wieder herab um Pythagoras, und Bias, dem er einen Esel gebohrt, erhob sich und wollte reden; was er aber sagen wollte, bekam Niemand zu hören; denn zu derselben Zeit vernahm man aus den andern Sälen einen Lärm, der immer näher und näher kam und am Ende die sieben Weisen aus ihren Rollen brachte. Selbst Pythagoras kam hinter seinem Vorhänge hervor und fragte, was es gebe. Da riefen einige Stimmen von außen: ganz in der Nähe des Ufers sähe man ein Fahrzeug in großer Noth des Sturmes; bei der dicken Finsterniß vermöge man nicht einmal zu erkennen, ob es nicht schon an den vorliegenden Klippen gestrandet. Da warf Don Antonio seinen Mantel hin und sprang hinaus, Freund Pythagoras that ein Gleiches, und bald standen sie an dem schwarzen Lavaufer, zu welchem die See mit furchtbarer Gewalt herauftobte. Hinter ihnen sammelten sich fast alle Genossen des Festes in ihren bunten Masken. Das Meer leuchtete

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:47:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:47:01Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_karnevalfest_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_karnevalfest_1910/42
Zitationshilfe: Kopisch, August: Ein Carnevalsfest auf Ischia. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–62. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_karnevalfest_1910/42>, abgerufen am 27.11.2024.